Hamburg kann man sich schenken!

… wenn man nach sieben Jahren immer noch verliebt ist. Ich hatte ihr Tarzan geschenkt und die Liebste mir ein abenteuerliches Wochenende in Hamburg. Passt! Und abenteuerlich wurde es dann auch angesichts der begrenzten Zeit. Was kann man in zwei Tagen in so einer tollen Stadt alles anstellen!?

Die Anreise am Allerheiligen-Donnerstag mit dem Auto dauert nun mal ihre Zeit, wenn alle Feiertagsbundesländler in den Norden wollen. Hetzen wollten wir nicht. Und so kamen wir spät abends hundemüde und ausgehungert bei Nieselregen in Hamburg-Norderstedt an. Das Hotel Schmöker Hof ist ein hübsches Tagungshotel etwas weiter draußen. Unser Zimmer riesig, das Bad fast gleich groß und durch die Spiegel noch größer wirkend. Gediegen und sauber, wenn auch mit durchgesessenen Sesseln. Vor dem alles entscheidenden Bettentest musste aber erst Mal der Hunger beseitigt werden. Etwas typisches sollte es schon sein. Fisch natürlich. Am liebsten Labskaus. So haben wir den Alt Hamburger Aalspeicher auserkoren. Nach gut 45 Minuten gegen 21 Uhr fast vor der Haustür an Hamburgs ältester Straße, der Deichstraße, einen Parkplatz gefunden und schnell in das Lokal rein.

Nett gemacht. Na klar, auf alt, aber stilvoll ohne zuviel Seemanns Kisch, gemütlich trotz des langgestreckten, engen Gastraums. Freundliche Begrüßung, flotte Bedienung und fantastisches Essen wie wir’s uns erhofft hatten. Labskaus für die Dame, Aal vom Grill für den Herren, davor Aal- und Pfeffersuppe. Was die Hamburger Pfeffersäcke eben so aßen. Hier hätten wir jetzt bis zum Morgen bei etlichen Körnern sitzen können. Aber wir hatten ja noch ne Dreiviertelstunde zurück ins Hotel.

Freitag stand Sightseeing und Museen auf dem Plan. Aber erst Mal ein ordentliches Frühstücksbuffet an einem lauschigen Erkerplätzchen mit etwas Sonnenschein vor den Fenstern und ganz viel in unseren Herzen. Ein gutes Frühstück und ein strahlendes Gegenüber vertreiben jedes miese Wetter. Nach der obligaten Dreiviertelstunde wollten wir zuerst ins Miniaturwunderland. Vor fünf Jahren waren wir schon fasziniert von der schier unendlichen Detailfülle und dem Witz der Anlage. Damals waren etliche Bauabschnitte in Planung. Die wollten wir nun sehen. Dummerweise dachten das Andere auch. Die Schlange war zwar kurz, durch die Zeittickets allerdings trügerisch, denn rein kam man erst nach eineinhalb Stunden. So beschlossen wir, das auf den Abend zu vertagen, wo der Laden bis 23 Uhr geöffnet ist.

In der Speicherstadt laden etliche andere Museen zum Eintritt und so gingen wir ums Eck ins Speicherstadtmuseeum. Hier wurde eindrucksvoll die Geschichte der Speicherstadt und ihrer Arbeiter gezeigt. Die Arbeitsbedingungen waren kaum vorstellbar hart. Gut zu verstehen, wie die Arbeitsweise das Tempo des gesamten Handels in Europa bestimmte. Denn über Hamburg flossen fast alle internationalen Güter ins Land.

Hauptware der Speicherstadt und Garant für den Reichtum der Handelsschiffer waren die Gewürze. Das Gewürzmuseeum versucht, die Geschichte rund um das würzige Gold anschaungsvoll zu präsentieren, scheitert aber an der Komplexität des Themas und der Besuchermassen. Alles ist ein bisschen versifft. Ich kann mir vorstellen, dass es zu Handelszeiten trotz vorsintflutlicher Bedingungen hier sauberer zuging.

Zwei Museen hintereinander machen nicht nur Füße platt. Dabei stand noch Einiges auf dem Plan. Z.B. die alte Gasse bei den Krameramtsstuben, die aber ein Reinfall war, weil von Tourinepp vollgestellt. Interessant aber die Wohnung der Kramerswitwe, die man dort besichtigen kann. Bescheidenes Leben auf zwei winzigen, niedrigen Zimmerchen, verbunden mit einer halsbrecherische Treppe und Blick aus dem Dachboden in die Gasse.

Nächster Programmpunkt Bonbonladen im Schanzenviertel. Die Süße wollte was Süßes. Der Laden ist eine echte Attraktion. Man schaut schwitzenden, muskelbepackten Kerlen zu,m wie sie riesige, heiße Zuckerplatten zu winzigen bunten Kunstwerken walken. Und dann wählt man aus dem schier unendlichen Angebot an Bobons in allen möglichen und unmöglichen Geschmacksrichtungen.

Jetzt waren die unter Extremitäten am Rande der Belastungsfähigkeit und Relaxen war angesagt. Zur Auswahl standen das Hotel Atlantic mit seinem berühmten Five-o-clock-Tea und das Chinesische Teehaus Yu Garden. Die Preise im Atlantic gaben den Ausschlag: ab zum Yu Garden, das in den Reiseführern für die Authentizität der Teequalitäten und -zeremonien gerühmt wird. Wir rechneten bei diesem Sauwetter mit vollem Haus und eilten über die verspielten Brückchen in das dem Original nachgebauten Teehaus, um noch einen Platz zu bekommen. Wir waren die einzigen Gäste, die der einzigen Bedienung den Nachmittag am Computer verdarben. Nach ausführlicher Lektüre der noch viel ausführlicheren Karte wählten wir sündhaft teure Teesorten angesichts des Hinweises, man könne ja fast unbegrenzt aufgießen. Die gerühmten Gebäckstückchen gab es leider gar nicht. Nur ein paar winzige Plätzchen (aber sehr lecker) und ein paar Erdnüsse im Teigmantel begleiteten den Tee. Der war dann die nächste Enttäuschung. Aroma nur zu erahnen. Vielleicht etwas für den geschulten Gaumen, nichts für den Meist-Kaffee-Trinker. Das war dann eine sehr entspannende, aber auch etwas langweilige Teatime. Da wäre im Atlantic mehr zu sehen gewesen. Na gut, das nächste Mal.

Auf dem Plan stand Abends noch ein Besuch der Ice-Bar und ein Snack in der IndoChine Lounge. Ich vermutete zu wenig Kalorien für so einen anstrengenden Tag und schlug noch einen Abstecher zu den Curry-Piraten vor. Wir schauen ja immer nach geilen Imbissbuden, wenn wir unterwegs sind und ärgern uns gerne über ganz mieses Fastfood. Hier allerdings sind wahre Könner am Werk. Im Gegensatz zu Bochums angeblicher Sterne-Imbissbude werkeln hier tatsächlich Spitzenköche und denken sich jede Woche eine besondere Wurstspezialität aus. Ich hab die herbstliche Hirschbratwurst auf Linsenvinaigrette mit Senfsabayon probiert und war hin und weg. Gut, etwas teurer als der übliche Wurstverschnitt (6,50 €), dafür aber hundert Mal besser. Dazu unglaubliche Fritten, außen kross und innen butterzart. Schade, dass wir hier nicht wohnen. Ich wüsste, wo wir wöchentlich einmal wären.

Zum Abschluss des Tages also noch ins IndoChine, einem Schickimicki-Club an der Außenalster. Auf trendy aber unbequemen Gestühl haben wir gebückt ein paar Indonesische Snacks probiert, die allerdings sehr gut waren und nach viel mehr schrieen. Nur hätte ich es auf dieser Couch nicht eine Minute länger ausgehalten und außerdem waren wir eingeladen, die IceBar zu besichtigen. Eine Bar ganz aus Eisblöcken gehauen. Hocker, Theke, Skulpturen, Gläser, alles aus Eis und quietschbunt beleuchtet. Man merkt, dass das ganze Unmengen an Strom kostet. Es werden nur kleine Gruppen hereingelassen, damit die nichts auftauen mit ihren Körpern und die Drinks gibt’s dann in gedämpftem Licht, vorher war kurz Lightshow angesagt. Nicht dass wir rausgeschmissen wurden, aber man war wohl schon froh, dass wir nicht länger bleiben wollten. Schon wegen der Kälte vermutlich. Der arme Barkeeper war aber ausgesucht freundlich und nett.

Und war da nicht noch was?! Ach ja, das Miniaturwunderland. Ganz in der Nähe. Nix wie hin und zügig ohne Wartezeit rein. Allerdings war unsere Aufnahmekapazität so ziemlich erschöpft. So blieb nicht mehr viel Kraft, all die herrlichen kleinen Szenen zu entdecken, die die zweifelhafte Moral der Erbauer beleuchten. So viel uns auf, dass unglaublich viele Unfälle nachgestellt sind, Mordszenen und die Arbeit der Gesetzeshüter, Unzucht hinter etlichen Büschen, Sex und Crime scheint in den Köpfen der Modellierer eine beherrschende Rolle zu spielen. Aber um diese Zeit ist das gar nicht so falsch und so begab ich mich auf die Suche nach den eindeutigen Stellen. Zu mehr als der Rückfahrt direkt ins bestens gepolsterte Hotelbett war dann nicht mehr genug Power da. Nicht mal um einige Szenen aus dem Miniaturland nachzustellen…

Samstag war Besichtigung und Kultur angesagt. 13:30 Uhr sollte die Bustour zum Containerhafen losgehen. Nach einem ausgiebigen Frühstück waren wir eine Stunde zu früh am Startpunkt, was den Vorteil der hektikfreien Parkplatzsuche mit sich brachte. In der Eiseskälte nahmen wir Zuflucht im Cafe gegenüber und harrten auf den Bus. Die Besichtigung des Containerhafens ist aus ziemlich unerfindlichen Gründen (es wurde zwar mehrfach erklärt, aber nicht plausibel) nur mit Persionalausweis oder Pass möglich. Überall wird darauf hingewiesen und der Busfahrer kontrolliert wie ein Zollbeamter. Und tatsächlich gint es immer wieder Leute, die den Perso vergessen haben. Davon profitiert dann das nahe Cafe, das keinen Zoll erhebt.

Zuerst ging es über die Kohlbrandbrücke in den kleinen Containerhafen, der noch mit diesen riesigen Containerliftern arbeitet, die von Hand gefahren werden, aber schon komplett computerisiert überwacht werden. Durch schier unendliche Wälder von geparkten Liftern (dem Handel geht es schlecht) und gestapelten Containern geht es zu den Schiffen am Kai. Wir sind beeindruckt von den Dimensionen und dem reibungslosen Tanz des Ausladens und Stapelns. Noch ahnen wir ja nicht, dass das nur ein kleiner Vorgeschmack auf die wahren Giganten ist. Die sehen wir dann nach einer kurzen Pause in der Seemanns-Mission, die der Entleerung der Blasen und der Befüllung der Spendenkasse dient. Unheimlich fahren Laster ohne Fahrer direkt auf Kollisionskurs aufeinander zu, um kurz vor der Katastrofe abzubiegen. Befüllt werden sie von hochhaushohen Kränen, die vor noch größeren Schiffen wie von Geisterhand gesteuert agieren. Kaum ein Mensch ist zu sehen. Direkt vor der Wand eines der größten Containerschiffe der Welt wird es dunkel. Wir sehen den Himmel nicht mehr vor lauter Stahl. Wirklich beeindruckend. Auf der Rückfahrt ist es ganz still im Buss. Man lauscht den kabarettreifen Erklärungen des sehr engagierten und allwissenden Reiseführers und versucht irgendwie die Eindrücke zu verarbeiten.

Jetzt hatten wir noch eine gute Stunde frei bevor es in das Theater Neue Flora ging, zum Dinner und zum Musical Tarzan. Stage Entertainment bietet passend zu den Aufführungen ein dreigängiges Dinner an, das man bequem vor der Show genießen kann. Ich hatte das spontan gebucht, ohne, wie ich das sonst so mache, in Qype etwas über die Qualität des Restaurants in Erfahrung zu bringen. Es erschien mir einfach bequem und stressfrei, ohne lange Sucherei nach einem Lokal, vorher etwas zu essen. Nun saßen wir im Cafe und ich googelte nach dem Tarzan-Restaurant, dem Cardozas. Die Liebste hatte vorher schon geschaut und war vom anisgebeizten Lachs „not very amused“, weil sie kein Anis mag. Und jetzt las ich noch vernichtende Kritiken über den Laden. Wars das dann mit einem schönen Abend? Mir kann so etwas ganz schön die Laune verhageln.

Egal. Augen zu und durch. Natürlich hat es was, direkt von der Tiefgarage ins Restaurant und von da ins Theater zu gelangen. Besonders beim dauernden Nieselregen, der pünktlich nach der Bustour wieder eingesetzt hatte. Der erste Eindruck vom Lokal war dann schon mal ernüchternd. Der Charme einer Bahnhofs- oder Basketballhalle konnten auch die festlich elegant eingedeckten Tische nicht überdecken: einfach zu riesig um gemütlich zu essen. Dass wir fast die Einzigen waren, verstärkte den Eindruck noch. Wenn es hier voll wird, dürfte der Lärmpegel erheblich sein. So saßen wir etwas verloren an einem Fenstertisch. Die Bedienung war sehr freundlich und aufmerksam, die Getränke kamen flott, ebenso ein kleiner Küchengruß, frisches Weißbrot mit einem schön abgeschmeckten Kräuterquark und einer leckeren Tomatenmarmelade. Dann kam ebenso ohne große Wartezeit der anisgebeizte Lachs (gar nicht so schlimm mit dem Anis, fand die Liebste) mit provencalischen Blüten und Dijonsenfsauce auf Linsengemüse und Feldsalat. Der Lachs zart und saftig, das Linsengemüse so wie ich es mag: mit Biss und nicht zerkocht, sehr fein gewürzt. Dem Feldsalat hätten allerdings ein paar Tropfen Vinaigrette gut zu Gesicht gestanden. Die nette Kellnerin meinte auf meine Beschwerde hin, dass hätte sie dem Koch auch schon gesagt, der sei aber der Meinung, dass gehöre so. Als Hauptgang hatte die Liebste gegrillten Zander mit gebratenen Coppa-Scheiben auf Champagnerkraut. Perfekt gegarter Fisch, dazu kleine gebackene Kartöffelchen in der Schale. Ich bekam das Steak mit Herbsttrompetenkruste. Zwar ohne Nachfrage nach dem Gargrad, aber dennoch rosa wie ich es mag und wunderbar zart, auf einer dichten Rotweinsauce mit Rosinen. Dazu zartgegarten Rosenkohl und ein cremiges Kartoffelgratin wie es sein soll, mit krosser Kruste. Als Dessert kam ein Hamburger Bratapfelflan mit gerösteten Mandeln, Zwetschgenröster und Wallnusseis. Abgesehen vom viel zu kalten, harten Eis ein passender Abschluss eines sehr guten Menüs. Das ganze für 31 Euro. Das geht so in Ordnung. Ich hoffe, das nun weitere Gäste den hervorragenden Standard des Cardozas bestätigen.

All so gestärkt und eingestimmt ging es dann gemächlich eine Treppe höher ins Theater. Wie schon in Bochum beim Starlight Express bemerkt, machen sich die Leute nicht mehr so fein, wenn sie ausgehen. Das ist schade, denn irgendwie gibt es dem Ganzen noch einen extra Kick. So liefen hier nur zwei junge Besucherinnen in Affenkostümen rum. Die Servicekräfte hätte man auch irgendwie in passende Klamotten stecken können. Das macht Disney in seinen Parks besser. Der Theatersaal dann schön hörsalmäßig gestuft. da hätte es vielleicht nicht unbedingt einen Platz in der 2. Reihe bedurft (was sich später auch bestätigte). Die Bühne raffiniert verhangen mit halbdurchsichtiger Gaze, auf der ein Segelschiff zu sehen ist. Die Schiff bewegt sich wie in rollender See durch ein leichtes Gebläse. Dazu enervierende Trommelklänge und die Vorgeschichte als Auszug aus dem Logbuch auf Seitenwänden eingeblendet. Jetzt steigt die Stimmung.

Als es losgeht, merken wir, dass es ein paar Reihen weiter hinten zwar genauso teuer, dafür mehr los ist: Eine Affenhorde schwingt sich von ganz hinten und von den Seiten auf die Bühne. Das ist ein zentraler dramaturgischer Trick, der sich durch das ganze Musical durchzieht. Immer wieder schwingen Protagonisten über die Köpfe des Publikums. Wir verdrehen die Hälse. Aber vor uns ist auch genug los. Die Bühne ist ganz einfach gehalten mit ihren Lianenwänden und doch lässt sie Einges zu. So ist die Eingangssequenz schlichtweg genial: Man blickt von oben auf die gestrandeten Eltern von Tarzan, die gehen über den Sand ins Landesinnere und die Szenerie kippt in die Waagerechte. Richtig geil gemacht.

Die Story ist bekannt anrührend. Dazu die Musik von Phil Collins. da kann eigentlich nix schief gehen. Nun mag ich Collins gar nicht und er schafft es meiner Meinung nach auch nicht, richtige Musical-Ohrwürmer zu kreieren wie das Elton John und Tim Rice beim König der Löwen gelungen ist. Dazu komt, dass die deutsche Sprache leider ziemlich unmelodiös ist und sich mancher Reim doch arg in die Melodie quält. Das macht aber dem Musical keinenAbbruch. Die Spieler sind fantastisch und geben alles. Der erste DSDS Gewinner Alexander Klaws als Tarzan hat merklich abgenommen und man nimmt ihm den drahtigen Urwaldbewohner voll ab. Schön auch Jane und ihr Vater und Tarzans Mutter und Affenfreund. Ein toller Abend, der nicht zu Ende zu gehen scheint. Immer wieder wirbeln die Schauspieler durch die Luft, fantastische Schmetterlinge schweben über den Besuchern und exotische Riesenblumen entfalten ein uriges Urwaldfeeling.

Das war der Höhepunkt eines anstrengenden aber wunderschönen Hamburg-Wochenendes. Der Sonntag war von der Heimreise geprägt. Leider wieder in zahlreiche Staus. Fazit: Wir kommen wieder! Schließlich werden noch etliche Jahrestage unserer Liebe zu feiern sein. Und das Miniaturwunderland baut immer noch aus. Und es wird neue Musicals geben und neue Bratwürste bei den Currypiraten.

 

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