Alle 8ung!

Das verflixte Siebte ist geschafft! War gar nicht so schlimm. Wenn man bedenkt, dass sich da vor acht Jahren zwei typische Widder trafen und Hals über Kopf verliebten. Immerhin war dem großen Raaben schon nach 3 Monaten klar: Das könnte was für’s Leben werden! Hatte die Erfahrung doch gezeigt, dass die Halbwertszeit bisheriger Techtelmechtel bei ihm bei ca. 6 Wochen lag.

Bald darauf zog sie zu ihm und schnell fanden sie ein gemeinsames Nest. Gerade beim Nestbau trennen sich ja oft die Geister. Die erste große Prüfung verlief allerdings unproblematisch. Aus Kompromissen wurden neue Leidenschaften. Dann kam noch was Junges dazu. Unser kleiner Spanier war der geduldete Liebesbeweis der Liebsten, hatte es sie eigentlich nicht nach einem Hund verlangt, spürte sie aber doch meine Sehnsucht nach einem Tagesbegleiter im einsamen Home-Office-Leben. Und auch dies sollte Liebe auf den ersten Blick werden. Heute ist die Liebste die hundeverrückteste von uns Beiden. Dann kam der erste gemeinsame Urlaub – und trotzdem hielt das Band der Liebe. Im Gegenteil: die Lust, andere Städte und Länder (und deren Gerichte) zu entdecken, ist eine gemeinsame Freude.

Die zunehmende Korrosion und die folgenden Abnutzungserscheinungen des alten Raaben begleitet die Liebste mit ganz viel Liebe und Geduld. Wäre das nicht so, ginge es mir vermutlich viel schlechter und ich genieße ihre Fürsorge. So freue ich mich auf noch viele einigermaßen gesunde Jahre zusammen und neue gemeinsame Abenteuer. Ganz gemächliche natürlich. Wie es einem so alten Pärchen geziemt.

Nachdem wir die Megastadt Istanbul gemeinsam gemeistert haben, wird uns das Bisschen London nicht schrecken. Zur Feier des Tages hat uns die Liebste im nächsten Jahr in die britische Hauptstadt eingeladen, um dort der letzten Vorstellung von „We will rock you!“ im Dominion Theater zu erleben. Eines von ganz vielen Erlebnissen, die wir Beiden noch genießen werden.

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Niederländisches, Irisch-Schottisches und deutsche Schokolade

Sittard! Schnell: Wer kennt das? Schon mal gehört? Nööö? Ich auch nicht. Aber jetzt kenne ich es. Dank meinem Schatz, die mich zu einem Candle-Light-Dinner am Wochenende in das schöne Städtchen Sittard, Provinz Limburg, Niederlande, eingeladen hatte. Sittard hat nämlich etwas ganz Besonderes: Ein schnuckeliges Hotel, das in einem ehemaligen Kloster-Komplex liegt. Ein altes holländisches Ursulinenstift wurde liebevoll und behutsam renoviert und ein Teil davon zu einem Hotel umgebaut. Das 4-Sterne-Hotel Merici ist ein Kleinod von Hotel. Die alten Strukturen wurden größtenteils erhalten und eine moderne Hotelarchitektur integriert. Unser großzügig geschnittenes Zimmer liegt im Erdgeschoss und man hat dort einen, wie in Holland üblich, durch keine Gardine getrübten Blick in den Klostergarten.

Merici

Mit fremden Betten hab ich ja so meine Probleme. Mein altes Gestell braucht vertraute Matratzen, sonst rebelliert es nach dem Aufstehen und kann einem das schönste Urlaubswochenende versauen. Die Betten im Medici sind allerdings erste Sahne. So gut wie dort habe ich schon lange nicht mehr geschlafen! Kann aber auch an meiner reizenden Begleitung gelegen haben. Das bequeme Bett musste allerdings auch ein Manko wettmachen, das zwar wunderschön anmutet, aber nicht eben praktisch ist: Das Zimmer besitzt statt eines Bades mit Toilette eine Sanitär-Nische. Ich nenne das jetzt mal so. Also eine Erweiterung des Zimmers gegenüber dem großen Baldachin-Bett, mit wunderschönem Granitwaschbecken, Spiegel und Ablagen. Rechts und links davon je ein Kämmerlein mit dunklen Kacheln, passend zum Waschbecken. Aber nur mit einer Tür aus transparentem Milchglas, die unten und oben auch noch einen großen Spalt zum Lüften offen ließ, eher weniger denn mehr verschlossen. Nun ja, da muss die intime Zweisamkeit schon sehr innig sein, um olfaktorisch und akustisch zu harmonieren.

Vielleicht sind wir auch schon zu alt für solche neckischen innenarchitektonischen Spielchen. Gut, dass das Frühstücksbüffet ein Traum ist. Genau wie das ganze Hotel nachhaltig geführt und mit Bio-Waren bestückt (mit Ausnahme des trotzdem äußerst leckeren Nespresso-Kaffees vielleicht). Ein Koch bereitet nach Wunsch die Eier frisch auf einer Kochplatte in allen möglichen Variationen zu. Viele frische Säfte und sagenhaft leckere, frisch gebackene Croissants und Brötchen, der zarteste Lachs, ein hervorragender, alter Gouda und viel, viel mehr haben uns den Tag gleich am Anfang versüßt.

Sittard ist winzig und die Altstadt besteht nur aus dem Kloster und einem großem Marktplatz mit wunderschönen alten Wirtshäusern. Aber nichts Anregendes für ein verliebtes Paar. Deshalb sind wir zunächst ins zwanzig Kilometer entfernte Maastricht gefahren, wo uns der Freitagsmarkt lockte. Vor allem der Fischmarkt hatte es uns angetan. Hier gibt es alles, was das Meer hergibt. Wir haben Fische gesehen, die wir nie zuvor gesehen hatten. Am liebsten hätte ich mich von Stand zu Stand durchgefressen. Immerhin habe ich mir jungen Matjes gegönnt, die Leibspeise der Niederländer (und mit Verlaub: auch die einzige, die mir schmeckt). Der Fisch ist so zart, dass man ihm mit den Lippen zerteilen konnte und man aufpassen muss, dass er beim Einstippen in die Zwiebelwürfel nicht von der Gräte flutsch.

Matjes

Der Rest des Marktes rund um das wuchtige Rathaus ist ein gigantischer Kramladen. Gefühlt Tausende von Ständen bieten Stoffe und Klamotten, Schmuck und Stehrumchen und Staubeinchen an. Nach ein paar Reihen hat man das Gefühl, alles gesehen zu haben. Der Geist wird müde, die Beine waren es schon lange und der salzige Matjes verlangte nach was Süßem hinterher. So sind wir durch die engen Gassen rund um den Marktplatz gestolpert, direkt auf ein unscheinbares, kleines Café zu, weitab vom Touritrubel. Das Taart ist ein witziges Café, schlicht eingerichtet mit einem Mix aus hypermodernen, knalligen Gemälden und antiquarischem Cafehaus-Interieur. Kitschige, bunte Sammeltassen und -Kannen überall. Die Kuchen werden selber gemacht und sind so bunt wie die Bilder an der Wand. Allerdings schmecken sie um Längen besser. Wir hatten einen Kokos-Bananen- und einen Mango-Ananas-Kuchen. Die Besitzerpärchen ist sehr nett und berät bei der Auswahl. Witzigerweise hatte sie ein T-Shirt an mit einem großen Schnurrbart drauf und dem Text: I’ll cut your moustache!“. Klar, dass sie unbedingt meinen Bart anfassen und wissen wollte, wie der gestylt wird. Auf einem Finger hatte sie auch noch einen Schnurrbart tätowiert. Ganz offensichtlich bartgesteuert, die Frau. Wenn ich nicht schon über beide Ohren verliebt wäre, hier hätte ich größte Chancen gehabt. …

Hoeschen

Am Abend nach dem Einchecken ins Hotel dann ein Bummel durch die Altstadt rund um den vor Touristen brodelnden Markt. Uns war klar: Hier wollten wir nix essen. Über tripadvisor hatten wir uns über die einheimische Gastronomie schlau gemacht. Wir wollten was typisch Niederländisches essen. Aber das einzige einheimische Lokal bot auf der Karte Zweifelhaftes von Schwein und Huhn mit viel Mayonnaise an. Also entschieden wir uns für den bestbewerteten Griechen vor Ort. Der aber war hoffnungslos voll und die Frage, ob draußen serviert werden würde (wo ein Tisch frei war), wurde patzig verneint. Jetzt war es schon 21 Uhr und wir Hunger dominierte unser Denken. Direkt gegenüber dem Griechen lag ein rustikales Lokal, das Eetcafe PretZels, mit vielen alten Reklametafeln an der roten Häuserwand und einem Ständer, auf dem (auf englisch) das frische Bier und „topless-Bartenders“ angepriesen wurden. Die Liebste war weniger amused, ich hätte die Oben-Ohne-Bedienung schon notgedrungen irgendwie toleriert, wenn es nur etwas Gescheites zu essen geben würde.

Rathaus Gasse

Eigentlich war uns alles egal und wir betraten das Lokal, einen Irish Pub, dessen Wände über und über mit Whiskey-Flaschen vollgestellt war. Sehr urig und ziemlich leer. Gespannt, was uns erwarten würde, nahmen wir Platz. Ein junger, sehr beflissen wirkender Kellner (vollständig bekleidet) überreichte uns dicke Ordner mit der Speisekarte. Auf ca. 50 Seiten wurden die Gerichte und die Whiskeys liebevoll und ausgiebig beschrieben, leider nur auf holländisch. Nur eine Seite fasste alles auf englisch zusammen. Mein Auge fiel sofort auf das schottische Nationalgericht Haggis. Die Liebste fand das Sour Stew toll, auch wenn sie das „Gingerbread“ dazu etwas irritierte. Das Sour Stew mit Gingerbread erwies sich dann aber als schottisches Pendant zu rheinischem Sauerbraten. Das Gingerbread war Spekulatius. Und zwar reichlich. So durfte ich die Hälfte vom Stew verdrücken, neben einem fantastischen Haggis. Vorne weg ein Gruß aus der Küche mit Schinken, Erdbeermarmelade und Minigrissinis. Dann ein toller Salat aus Früchten der Saison mit Blattsalaten. Als Nachtisch ging nur noch ein Whiskey, auf Empfehlung des Wirtes ein frisch importierter Island-Wiskey von Laphroaig, ein QC Cask, ein Blend aus verschiedenen Wiskeys. Unvergleichlich mild und doch voller Torf- und Raucharomen. Dazu noch die paar Guinness, die mir noch nie so gut geschmeckt haben wie hier, und die Augen meiner Liebsten im Kerzenlicht gegenüber: Was kann es Schöneres geben?!

Pretzels

Am nächsten Tag dann wieder ab nach Maastricht, Bootchen fahren. Für die avisierte Schleusenfahrt war es, dank des ausgiebigen Schlemmerfrühstücks, schon zu spät. So buchten wir die Fahrt in das Bassin, die alte Hafenanlage von Maastricht. In einem kleinen, flachen Boot voller aufgekratzter Holländer und ihren süßen Kindern ging es durch alte Kanäle, durch eine große, beeindruckende und eine kleine, alte Schleuse, in die alten Hafenanlagen, die vor hunderten von Jahren von Sklaven aus den holländischen Kolonien, sicher nicht unter komfortablen Bedingungen, erbaut wurden. An der modernen Skyline von Maastricht vorbei endete die zweistündige Fahrt. Wir waren mal wieder geistig wie körperlich platt – vom vielen Rumgucken und -sitzen. Nicht weit vom Parkhaus (das ein Vermögen kostete) lag unser nettes Café vom Vortag und so schleppten wir uns dorthin, um uns durch die tollen Kuchen und dem aromatischen Kaffee wieder aufbauen zu lassen.

Maas1 Maas2

Abends stand das Candlelight-Dinner an. Das Restaurant des Hotels liegt ausgelagert, ca. 70 Meter weit entfernt, am Marktplatz. Von alleine wären wir hier nicht reingegangen, da das de Kroon so nach Touri-Nepp aussieht. Das Lokal war komplett besetzt. Nur für uns war noch ein winziges Tischlein, direkt neben dem Gang zum Klo und zur Küche (was sich aber gottseidank nicht olfaktorisch bemerkbar machte) reserviert. Nach ziemlich langer Wartezeit ging es dann los mit einem Carpaccio von Limburger Rinderlende mit Gänseleberpastete, Salat mit Speckcroutons und einer Parmesanhippe. Dann folgten recht zügig ein Hummercremesüppchen mit einem Meerrettichsahne-Crouton. Ofengebackenes Kalbsfilet an Rosmarinjus mit Champignon-Kartoffelstampf und knackigen grünen Bohnen waren der Hauptgang. Das Dessert wurde eingeleitet von einer Roquefort-Terrine auf Nussbrot mit Crema vom Apfel und gebrannten Nüssen. Mangosorbet auf Erdbeer-Papaya-Trifle rundete das Menü ab.  Das alles in Bioqualität für relativ wenige Neuronen. Korrespondierende Weine hatte ich dazu nicht gewählt, weil ich nicht wie Miss Sophies Butler meine Liebste zum Hotel geleiten wollte. Das alles in einem tollen Ambiente mit z.B. Servietten aus schadstofffreiem, fairgehandelten Stoff. In einem zauberhaften holländischen Städtchen. Wir waren schwer begeistert!

Frühstücksbedingt spät haben wir uns dann am Sonntag spontan entschlossen, auf der Rückfahrt noch einen Abstecher ins Schokoladenmuseeum in Köln zu machen. Köln war in einer Stunde zu erreichen und somit ideal für einen Nachmittagsspaziergang über die Domplatte und anschließender Fahrt mit einem Bimmelbahn-Busschen zum Museum am Rheinufer. Was wir nicht wussten: An diesem Tag lief ein Triathlon und die halbe Stadt war abgesperrt (inkl. Altstadt und Rheinufer). Und was wir außerdem nicht bedacht hatten: dass Sonntags eben alles, was zwei Beine hat, ins Schokoladenmuseum pilgert. So war der Spaß etwas begrenzt. Immerhin gönnten wir uns ein Kaffeepäuschen im Museumscafe beim Warten auf die Schokoladentäfelchen, die wir für unsere lieben Kleinen daheim kreiert hatten und die nun in der museumseigenen Manufaktur angefertigt wurden. Ich erlag noch den Lockrufen eines Chateau Framboise, einer kuchengroßen Praline.

Nun noch fix nach Gießen unseren kleinen Spanier wieder abholen, auf den die Kids aufgepasst hatten. So gerne wir ihn dabei gehabt hätten: Es wäre für alle Beteiligten nur Stress gewesen. Und so war es ein wunderschönes zweisames Wochenende. Müssen wir unbedingt bald wieder mal machen …

Mehr Bilder gibt’s HIER auf flicr.

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Grande spettacolo!

Spektakel

Ein lang gehegter Wunsch ging an diesem Wochenende in Erfüllung. Die schönsten Geschenke sind bekanntlich solche, die einem auch selber gefallen. So war der Besuch einer AIDA-Aufführung in der Arena von Verona genau das richtige Geschenk für die Liebste. Schon öfter hatte ich versucht, Karten für eine der Tournee-Aufführungen zu bekommen, war aber jedes Mal gescheitert. Mal fehlte die Zeit, mal die Kohle, mal waren die Karten weg oder nur noch schlechte Plätze zu bekommen. Diesmal wollte ich es direkt in Verona probieren. Natürlich war die Samstagsvorstellung, die uns anreisetechnisch am Besten gefallen hätte, ausverkauft. Also probierte ich es am Freitag. Und siehe da: Spitzenplätze noch in Hülle und Fülle. Ich buchte 16. Reihe Mitte und war glücklich über den Kauf. Besonders schön: es war die Premiere der diesjährigen Saison.

Schoenes_Paar

Wir freuten uns riesig und fortan gab es nur ein Thema: Die Kleidungsfrage. Gar nicht so einfach, wenn man sich Abspecken verordnet hat und somit nicht genau weiß, ob der Konfirmationsanzug noch oder schon wieder passen würde. Außerdem musste das Outfit der besonderen Gelegenheit wegen auch schon etwas Besonderes haben. Bei der Liebsten war das klar: ganz ausgefallene Ohrringe. Ich hatte ihr passend zu den Tickets symbolisch zwei Legofiguren ans Ohr gehängt, winzige Pharaonen in der bekannt kantigen Lego-Optik. Das war witzig, aber vermutlich nicht edel genug. In Frage wären noch zwei Dekofiguren, Nofretete-Köpfe aus einem schweren Kunststoff, gekommen. Die sahen stylish aus mit viel Goldglitzer, hätten aber zarte Ohrläppchen in Kürze bis in Bauchnabelhöhe gezogen. Irgendwann habe ich all meinen Mut und einen Dremel zur Hand genommen und hab die Dinger vorsichtig ausgefräst. Von unten und oben so weit wie möglich alles rausgeholt. Anschließend die Stellen neu angemalt und schon waren satte 10 Gramm weniger am Ohr! Das Problem war gelöst. Bei mir sollte es eine Krawatte sein. Golden, mit ägyptischen Hieroglyphen drauf. Die waren im Internet schnell gefunden. Ebenso eine Textildruckerei, die den Binder für mich bedrucken konnte. Perfekt. Der Abend könnte kommen …

 

 

Davor war natürlich noch die Anreise gesetzt. Wir hätten fliegen können. Aber mit An- und Abfahrt, Parkplatz und Flug wäre der Tag auch rumgegangen und so fuhren wir mit Biggis automatischer, klimatisierter Jazzy. Angesichts der Mautabzocke in A und I und den unverschämten Spritpreisen wären wir vermutlich per Flug billiger weggekommen. So waren wir unabhängiger, konnten Hörbuch hören, die Alpen und unsere Zweisamkeit genießen. Das Hundeviech war auf Urlaub bei den Kids. Am Ziel angekommen lernten wir durch falsche Navieingabe erst einmal die hässliche Industrieseite von Verona kennen und schließlich das Vier-Sterne-Hotel Saccardi am Veroneser Flughafen. Zumindest der Schallschutz der Fenster war vier Sterne wert. Der Rest immerhin sauber und die Betten bequem. Man wird bescheiden.

 

Hundemüde und tierisch hungrig haben wir uns dann in die Altstadt begeben. Die Liebste hatte eine Kneipe ausgesucht, die noch nicht touristisch verseucht sein sollte. Sagte zumindest der Reiseführer 😉 Der warnte auch, mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Mit Recht, wie es aussah. Die Innenstadt komplett für den Individualverkehr gesperrt und außen rum alle verfügbaren Parkplätze belegt. Bis auf den Einen, den ich immer finde. Tapfer die horrende Parkgebühr ignorierend sind wir dann an der Etsch entlang ins Städtchen gebummelt und haben das Lokal sogar gefunden. Natürlich alle Tische besetzt. Teils mit Einheimischen, teils mit Touries, aber überwiegend mit jungen, lärmenden Italienern. Der Patrone bugsierte uns zu anderen an den Tisch und wir wählten aus der deutschen Karte. Ganz offenbar wirklich nur eine Übersetzung und keine Abzock-Karte mit Touriepreisen. Ich war auf Pferdefleisch scharf, das in Verona Tradition hat und die Liebste wollte Kutteln, ebenso Veroneser Spezialität. Die gab es leider nicht, dafür eine Ragout vom Pferd mit Polenta. Diese Pastissada di caval ist ein in Amarone tagelang eingelegtes und anschließend stundenlang darin gekochtes Pferdefleisch, eine Art Gulasch. Wunderbar zart und voll von diesem unvergleichlichen Aroma dieses lombardischen Weins, den ich auch dazu trank. Davor noch eine Bollito Misto, eine gemischte Wurst- und Schinkenplatte mit würzigem Mortadella, Salamis und Schinken der Region. Dazu ein tolles Olivenöl und frisches Brot. Da möchte man ewig so sitzen bleiben und den Balztänzen der brunftigen Jugend zuschauen. Zierliche Italienerinnen, die sich aufreizend und selbstbewusst in wunderschönem Fummel den Jungen präsentieren, die gockelartig herumkrakeelen und feurige Blicke aussenden. Ach ja, lang ist es her … 😉

Henning

Gelateria

Natürlich war es logistischer Blödsinn, eine solche Stadt am Tag und die Arena am selben Abend zu erkunden. Und das auch noch am ersten richtig heißen Tag diesen Jahres. Ziemlich müde von der Anfahrt und dem Amarone vom Vorabend sind wir zu spät aus den Federn gekommen und hätten um ein Haar das Frühstücksbuffet verpasst. So waren es nur ein paar traurige Reste, die uns für den anstehenden Stadtbummel stärken konnten. Per Navi haben wir uns dann an den zentralen Startplatz der ganzen Touristenscharen, dem Piazza di Bra, angeschlichen, auf dem auch gleich die Arena in der gleissenden Sonne liegt. Davor ein kleiner Park. Und darin, genauer: in dessen Schatten, fast alle Touristen. Also schnell das berühmte, beeindruckende Gemäuer fotografiert und den Strömen in die Stadt gefolgt. Hatten wir am Vorabend noch einen pittoresken Stadtteil mit morbidem Charm erlebt, schleppten wir uns nun durch eine Altstadt voller angesagter Modeboutiquen. Von Prada bis Gucci – alle da. Nicht da: kleine Kneipen, Cafés oder Imbisstuben, von denen der Reiseführer so geschwärmt und den unsere fast frühstückslosen Mägen so sehnlich erhofft hatten. Dafür Ristorantes mit den Ausmaßen von Fußballfeldern, die dürftig belegte Pizzen für 20 Euro feilboten.

Mauer

Nicht mit uns! So haben wir uns tapfer weiter durch diesen Tourismus-Moloch gekämpft. Wie gerne hätten wir uns in ein Straßencafe gesetzt und über diese Menschen abgelästert! Immerhin haben wir ein Bimmelbähnchen geentert und sind mit diesem durch die Randbezirke der Altstadt gekutscht worden. Diese Fahrt hat mich inspiriert, wo ich am nächsten Tag hätte hinfahren können und – vor allen Dingen – wo nicht hin, wenn wir denn noch Zeit dafür gehabt hätten. So haben wir uns dann noch das Wohnzimmer der Stadt, die Piazza di Erbe, ein Marktplatz, angeschaut und sind mit Grauen weiter geflüchtet vor den hässlichen Nippesständen. Weiter zum berühmten Julia-Balkon, den ein findiger Mafiosi in den dreissiger Jahren an einen alten Palazzo bauen ließ und behauptete, es sei der Balkon, von dem die shakespearische Julia ihren Romeo anschmachtet hätte. Dazu kam noch eine Juliastatue, von der es heißt, wenn Verschmähte ihre rechte Brust berühren, würde die Liebste sie dann doch noch erhören. Entsprechend abgegriffen war die Titte. Davor ein Grundrauschen durch das Klicken der tausend Fotoapparate und dem Wedeln der Fächer der in der Hitze transpirierenden Damen. Die Wände im Torbogen zum Hof mit Liebesbotschaften vollgemalt, davor kreischende, giggelnde Teenies mit Eddingstiften auf den Schultern ihrer Lover, mehr oder weniger sinnige Sprüche über verblassende, ältere kritzelnd. Wir sind weiter gewankt, auf der Suche nach Ess- oder Trinkbarem, nach dem Parkhaus mit der rettenden Jazzy (und hatten prompt zunächst das falsche Parkhaus angelaufen). Irgendwann sind wir der Hitze und dem Touri-Irrsinn entkommen und haben uns ins airkonditionierte Hotel verkrochen, um uns frisch und noch schöner zu machen für den Abend.

 

Angesichts der Hitze kamen mir Zweifel, ob es denn noch angemessen sei, in Anzug und Krawatte in der Arena einzulaufen. Genauso gut hätte ich gleich prophylaktisch ins Krankenhaus fahren können, um den drohenden Hitzschlag behandeln zu lassen. Aber es wäre mir peinlich gewesen, als Einziger in sportlichen Klamotten dort rumzulaufen. Also hab ich mir den Binder umgezwängt, der sich als zu kurz erwies. Und das Hemd ging auch nicht zu. Das war dann wenigstens eine kleine Lüftermöglichkeit. Das Hotel offerierte uns ein Opern-Buffet. Für 8 Euro gab es ein paar belegte Plätzchen. Das sah so dürftig aus, dass wir tapfer verzichteten und auf Nahrhafteres in der Arena hofften. Immerhin gab es einen Shuttle-Service, der uns zur Arena bringen würde.

 

Denkste. Er hätte bis 100 Meter ranfahren können. Tat er aber nicht, sondern schmiss uns einen Kilometer vorher raus (weil er da parken konnte). Nach 10 Metern Fußweg hatte ich die restliche Flüssigkeit aus mir raus und in mein Hemd hinein transpiriert. Gottseidank ging ein leichter Wind und wir fanden ein schattiges Plätzchen im kleinen Park. Die Vorstellung sollte erst um 21:15 Uhr beginnen, der Einlass für „Promis“ wie uns erst um 20:30 Uhr. Der „Pöbel“ durfte schon Stunden vorher rein und sich ein Plätzchen auf den Steinstufen suchen. Dafür konnte man sich Kissen kaufen und anderes, weniger sinnvolles Zeug. Nur keine Getränke! Nirgends! Und zu Essen hätte es auch nur in den überteuerten Ristorantes gegeben. Jetzt wäre ich bereit gewesen, meine Eintrittskarte gegen was Essbares einzutauschen, wenn es denn noch einen Platz gegeben hätte.

 

Dann entdeckten wir doch noch einen Stand mit ekelhaft süßem Granitee (ich) und erfrischendem Wasser (die Liebste). Das Schauspiel vor der Arena war schon die halbe Miete. Diese Mischung aus luftigen Tourie-T-Shirts, sexy kleinen Schwarzen (ich meine die Klamotten), wallenden Abendgarderoben und schwarzen Anzügen, von runtergerissenen Backtrackern, quietschbunten Touriebäuchen, goldglitzerbehängten Mamas, rassigen, highgeheelten Püppchen und ihren ergrauten Latin Lovern, die um die Arena flanieren, um zu sehen und gesehen zu werden – herrlich. Mein Hemd war fast wieder trocken und wir begaben uns zum Einlass. Unterwegs begegneten uns noch Nina Eichinger, die Moderatorin und ein uns unbekannter Mann (Roberto Villanzon, ein Opernstar, wie sich herausstellen sollte), umringt von einem Filmteam. Jetzt wurde uns klar, dass hier mehr ablief als nur eine Premiere. Plakate hatten das schon gezeigt: Dieses Jahr wiederholte sich die erste Aufführung in der Arena die Verona zum hundertsten Mal. Und die Inszenierung war zum ersten Mal in die Hände von experimentierfreudigen Spaniern gelegt worden. Die Truppe La Fura dels Baus ist bekannt für extreme Inszenierungen. Der Dirigent sollte ein Shootingstar aus Israel sein und die Titelrolle von einer Japanerin gesungen werden. Kein Wunder, dass tutti Verona, wenn nicht ganz Italia, vor Ort war. Stars, Sternchen, Politiker, ein Auflauf wie bei einer Oscarverleihung, roter Teppich und uniformierte Ehrengarde inklusive. Und wir mitten drin.

 

Am Eingang zum Innenraum hatten sich TV-Teams postiert und filmten was das Publikum hergab. Natürlich entdeckte uns eine Kamera und hielt voll auf uns drauf. Schon ein komisches Gefühl. Aber auch irgendwie logisch, schließlich sind wir ja auch ein Augenschmaus ;–). Unsre Plätze waren optimal. Nicht zu eng und gut gepolstert. Das Parkett ist leicht ansteigend angelegt, sodass man bestens sehen kann. Und gut gesehen wird. Das Publikum auf der Steinstufen begrüßt johlend bekannte Promis. Reporter und Fotografen wuseln herum, Blitzlichtgewitter gehen auf einen Italiener vor uns nieder, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Ein alternder Fußballstar oder ein Rennfahrer, so sieht er jedenfalls aus, mit einer knackigen, gut 25 Jahre jüngeren Begleiterin im extrem winzigen Schwarzen. Das Publikum hier ist sehr gemischt. Die Abendgarderoben überwiegen, aber es gibt auch Hemdsärmelige. Ich wäre leger sicher nicht mehr aufgefallen als sowieso schon. Einer trägt Jeans, aber mit Stehkragenhemd und knallroter Fliege. Ein schöner Mann. Überhaupt gibt es viele schöne, elegante Menschen um uns herum. Gottseidank aber auch das Gegenteil. Wir fühlen uns sauwohl in der Mitte.

 

Die Bühne ist bis auf einen großen Doppelkran und merkwürdige schwarze Plastiksäcke auf den Stufen leer. Sollten hier nicht Pyramiden stehen? Merkwürdig. Es ist noch hell, ein laues Lüftchen geht. Bis auf das dumpfe Grollen unserer Mägen (zur Erinnerung: seit dem Frühstück ohne feste Nahrung) geht es uns fantastisch. Wir sind gespannt wie Pennäler vor der ersten Schulaufführung. Statisten kommen auf die Bühne, in ägyptisch anmutende Kleidung gehüllt. Einige in Safarianzügen. Ganz geschäftig wuseln sie auf der Bühne rum. Irgendwann begreifen wir, dass sie Szenen einer archäologischen Expedition darstellen. Quasi als Vorgruppe zum Haupt-Act. Das ist witzig. Es laufen ganz viele verschiedene Szenen gleichzeitig ab. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Auf der riesigen Bühne geht es richtig ab. Dabei bauen sie auch ein Bühnenbild auf: Sie „graben“ Statuen aus, Steinblöcke mit Hieroglyphen drauf, bauen sie zusammen und ein Archäologe versucht, die Inschrift zu entziffern. Man sieht zwei monumentale Stein-Köpfe, innig aneinander geschmiegt. Offenbar ein Liebespaar. Die Statuen werden auseinander genommen, in Kisten mit der Aufschrift „British Museum“ verpackt.

 

Während der letzten Szenen ist es dämmrig geworden, das Orchester hat Platz genommen und die Ouvertüre erklingt. Plötzlich steht Radames, der ägyptische Feldherr, der die äthiopische Sklavin Aida liebt, auf der Bühne und legt los. Das Spiel beginnt. Ich bin enttäuscht. Die Stimme kommt dünn und leise zu uns rüber, das Orchester ist nicht transparent zu hören, die leisen Streicher sind kaum da. Dabei wird die Akustik der Arena doch so gelobt! Und die Bühne ist immer noch leer. Das ist alles irgendwie verstörend. Gottseidank ist die Aida stimmgewaltiger. Überhaupt kommen die weiblichen Stimmen besser, klarer rüber. Auch der riesige Chor ist in seinem Stimmenumfang ergreifend. Irgendwann hat sich auch das Gehör an die Akustik gewöhnt und ich bin zufrieden. Während einer Arie bewegen sich plötzlich die schwarzen Würste auf den Arenastufen und es entfalten sich gewaltige Wüstendünen. Eine geschickte Beleuchtung zaubert daraus eine äthiopische Wüstenlandschaft, die Bühne lebt plötzlich, überall kommen Statisten hervor, spielen das äthiopische Volk. Wir sind gebannt und verzaubert.

 

Ich erinnere mich an meinen ersten Cinemascope-Film, im ersten Breitwandkino in Frankfurt. Es lief ein Western und man musste den Kopf von ganz weit links nach ganz weit rechts drehen, um den Reitern zu folgen, die da über die Leinwand ritten. Das war eine ganz neue Seh-Erfahrung und gab einem das Gefühl, mittendrin zu sein im Geschehen. Genauso war das jetzt hier in der Arena. Rechts liefen andere Szenen ab als links und in der Mitte agierten die Solisten. Die Mimik und Gestik von Opernstars ist ja begrenzt. Sie laufen wenige Schritte auf und ab, breiten die Arme aus oder reißen sie theatralisch an die Brust. Dabei schauen sie meist ins Publikum, selten zum Spielpartner. Das gibt optisch nicht viel her. Und wenn man dann auch nicht versteht, was sie singen, wird es mitunter ganz schön langweilig. Nicht so hier in der Arena. Immer ist irgendwo etwas los. Soldaten in futuristischen Phantasieuniformen geben sowohl die ägyptische Armee als auch die Bühnenarbeiter, die dauern etwas auf- und umbauen. Sie haben blinkende Lichter an ihren Kleidern. Es blitzt und funkelt. Überhaupt wird viel mit Licht gespielt. Ein riesiger leuchtender Ballon schwebt als Mond über der Bühne. Wir haben nicht zu sehenden, zunehmenden Mond. Einen Moment überlege ich, wie das wohl in ein paar Tagen aussieht, wenn ein zweiter, kleinerer Vollmond neben dem großen über der Arena schwebt.

 

In den Pausen gockelt man herum. Ciao hier, Küsschen dort. Man kennt sich, zeigt, dass man dazu gehört, das man auch da ist. Überall wird mit den Smartphones irgendetwas weltbewegend Belangloses hinaus gezwitschert. Überhaupt nerven diese Smartphones. Währende der Vorstellung blitzen ständig irgendwo Monitore auf. Da wird gefilmt und fotografiert wie verrückt. Dabei sind die Aufnahmen mehr als dürftig. Und die Blitze, die verbotenerweise dennoch verwendet werden, reichen ja eh nur zwei Meter weit. Es gibt sogar Leute, die fotografieren mit DIN-A-4-großen Tabletts und schauen danach auch noch nach, ob die Aufnahme was geworden ist.

 

Dann kommt der berühmte zweite Akt mit dem Triumphmarsch. Wie es scheint, die einzige Szene, wegen der die Menschen hier herkommen. Man kennt das von Erzählungen oder von Fotos und Videos: Menschenmassen in glitzernden Roben defilieren vor dem Ägyptischen König und präsentieren die Schätze, die sie den Äthiopiern abgenommen haben. Da sind dann auch Tiere dabei, Elefanten, Löwen, Dromedare. Irgendwie haben wir das auch erwartet. Aber diesmal kommt alles anders: Die Tiere sind riesige, bewegliche Gerüste wie aus einem Technikbaukasten, die Streitwagen sind Segway-ähnliche Elektrokarren. Es werden Fässer hineingerollt, die denen mit Atommüll ähneln, Kisten auf denen „requisizione“ steht. Kinder in Ketten, geknechtete Gefangene, mit Peitschen in Zaum gehalten. Und große, glitzernde Quader, die an Edelsteine erinnern (und noch eine große Rolle spielen werden). Eine sehr moderne Form des Triumphzuges. Zuerst war ich enttäuscht. Eine Italienerin vor uns drehte sich in der Pause um und fragte, wie es uns gefalle. „We miss the animals!“ war unsere Antwort und die Dame nickte bestätigend. Aber ich habe mir noch einmal Videos vergangener Aufführungen angeschaut. Das ist dämliches Disneyland. Dümmlich auf ägyptisch gekleidete Komparsinnen tanzen wie Tanzmariechen im Karneval. Das ist irgendwie antiquiert. Und denkt man an die Tiere, denen das kaum so gefallen haben wird wie dem Publikum, ist man froh, eine moderne Interpretation geboten zu bekommen. So wie La Fura dels Baus das gemacht haben, ist es schon gut. Sehr beindruckend alles. Natürlich auch durch die Hunderte von Komparsen, die da plötzlich alle auf der Bühne stehen.

 

Im Laufe des Abends werden im Hintergrund die „erbeuteten“ Quader mittels der Doppelkräne in der Bühnenmitte aufeinander geschichtet und ergeben ein riesiges, kreuzförmiges Gewölbe, das im Licht der Scheinwerder glitzert und die Protagonisten auf der Bühne tausendfach in seinen Facetten widerspiegelt. Ein tolles, beeindruckendes Bühnenbild. Im dritten Akt wird die Bühne geflutet, ein Statist kurbelt wie wild an einer Seilwinde und zieht ein Boot über den Nil, Krokodile kriechen durch das Nass. Radames verrät sein Volk und links am Bühnenrand wird ein Krokodil gegrillt. Komparsen halten überdimensionale Palmwedel, die sich dramatisch im Wind bewegen. Darüber wieder der riesige Mond und das glitzernde Gewölbe, das sich unaufhaltsam nach unten neigt und zum Schluss Aida und ihren Liebhaber unter sich begräbt. Verhaltener Applaus brandet auf. Viele Leute sind schon im Gehen begriffen. Da sind wohl Einige enttäuscht über die moderne Inszenierung. Später lesen wir harsche Kritiken: „Desaster am Nil“ nennt es ein österreichischer Kommentator. Wir fanden es einfach toll, mit unserem banausischen Opernverstand. Es war ein einmaliges Erlebnis. Davon werden wir noch unseren Enkeln erzählen.

 

Doch vorher galt es, zurück zum Shuttles zu gelangen. Was angesichts des flauen Gefühls in unseren Mägen und den Menschenmassen auf der Piazza nicht so einfach war. Alle Cafés hatten natürlich trotz der frühen Stunde (halb zwei) noch geöffnet und boten Post-Opera-Snacks an. Ein Blick auf die Preise und die restlos besetzten Tische ließen uns auf eine noch offene Imbissbude hoffen, aber selbst McDonalds hatte schon geschlossen. So sind wir erschöpft, müde, aber sehr glücklich im Hotel ins Bett gefallen, mit der Hoffnung auf ein reichhaltiges Frühstück. Waren wir gestern zu spät zum Frühstück erschienen und glaubten, es mit den Resten zu tun zu haben, wurden wir heute Morgen darüber belehrt, dass das Buffet offenbar immer so dürftig ausfällt. Gut, die Italiener legen nicht so viel Wert aufs Frühstücken, aber von einem 4-Sterne-Laden kann man mehr erwarten. Nicht mal gekochte Eier gab es. Die Krönung aber war das Rührei. Bröckelig wie ein alter Käsekuchen und mit penetrantem Pasteurisierungsgeschmack – ekelhaft. Ich hab es trotzdem runtergewürgt. Der Hunger hat’s reingetrieben.

 

Auf der Rückfahrt wollte die Liebste lieber über Landstraße fahren und bella italia gucken. Da lag der Gardasee gerade richtig und das herrliche Sommerwetter lud geradezu dazu ein, diesen Abstecher zu machen. Kaum waren wir am See angekommen, schlief die Liebste friedlich neben mir und verpasste die tolle Urlaubsstimmung, die das Seepanorama ausstrahlte. Ich war allerdings auch zu müde, um außer dem Verkehr noch etwas Anderem Aufmerksamkeit zu schenken. Zum Schluss noch ein fetter Stau auf der Brennerautobahn, die uns wieder auf die alte Brennerstraße zwang, was zwar wiederum wunderschön, aber leider auch ebenso anstrengend war. Die Liebste verschlief es sowieso. Österreich ließ uns noch eine Tiroler McDonalds-Filiale testen und für mies empfinden. Wie wollten einfach nur nach Hause. Ich bin an diesem Abend gleich wie tot ins Bett gefallen. Die Träume aber waren genauso schön wie die vergangenen Tage. Noch einmal durfte ich mit meiner attraktiven Frau dieses Schaulaufen erfahren. Ich war Radames und die Liebste Aida. Aber im Gegensatz zur Oper ging es gut aus. Als passendes i-Tüpfelchen übertrug noch das ZDF am Sonntag genau diese Premiere, wir waren sogar kurz mit im Bild. Daher auch die Begegnung mit Nina Eichinger und Roberto Villanzon, die das Ganze moderierten. Sehr interessant, die Szenen auch noch einmal aus dieser Perspektive zu erleben. Da stimmte dann auch die Akustik und deutsche Untertitel ließen die Story noch besser verstehen. Das war dann der krönende Abschluss dieses tollen Wochenendes.

 

Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir nicht in ein kulturelles Loch fallen. Etwas Kontrast täte gut. Vielleicht ein AC/DC-Konzert in der Royal-Albert-Hall. Mal sehen. Wir haben gemeinsam noch viel vor …

Irischer Schmuseabend

Vor 31 Jahren saß ich mit einer Clique in der Frankfurt-Höchster Jahrhunderhalle, damals die modernste Konzerthalle Frankfurts, ganz vorne in dem zur Hälfte ausverkauften Saal und lauschte total verliebt einem jungen Iren mit Namen Chris de Burgh. Nicht im Traum hätte ich mir vorgestellt, mich mit 60 Jahren, immer noch heftig und neu verliebt, schon wieder in der diesmal restlos ausverkauften Jahrhunderthalle von dem selben Schmusebarden verzaubern zu lassen. Schon lang wollte ich ihn wiederhören, aber nie hatte es geklappt mit guten Karten. Und die Liebste war genauso scharf drauf. Jetzt hatte es geklappt und wir hatten Spitzenplätze, dritte Reihe Mitte. Das Publikum war erstaunlich gemischt. Von der ganz alten Oma (die damals unsre Mutter hätte sein können), über die gesetzten 68er und die aktuelle Juppi-Generation bis hin zu den Enkeln, die mit Opa da waren. Selten, dass ein Musiker so ein großes Publikum faszinieren kann.

Am Anfang ärgere ich mich, da der Warming Act, der Leadgitarrist von CdB, Neil Taylor, schon spielt. Schade, da wir wegen der Platzkarten erst in den letzten Minuten ankamen. Von dem hätte ich gerne mehr gehört. Die Bühne ist ganz reduziert gestyled. An Klippen erinnernde Paneele schirmen die Percussion und das Keyboard ab. Im Hintergrund eine Wand aus Multimedia-Streifen. Mehr nicht. Und das ist gut so. Und die Lichtdesigner können daraus trotzdem eine mitreißende Show zaubern (HR1 präsentiert den Auftritt und berichtet hier).

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Chris de Burgh ist einer der Bühnentiere, denen die Musik und der Kontakt zum Publikum ganz wichtig sind. Und so arbeiten sie sich redlich ab, ohne dass es nach Arbeit aussieht. Immerhin ist er auch schon weit über Sechzig. Aber da hüpft ein junger Sänger und Gitarrist auf der Bühne rum und weiß, wie man die Leute von den Stühlen reißt. Und je mehr die abgehen, deste mehr blüht er auf. Und mutig ist er: geht von der Bühne und schlüpft zwischen seine Fans, umringt von (tränen)feuchten Damen und (angst)schweißgetränkten Bodyguards. Läuft durch das ganze Parkett, besingt seine Lady in Red und knutsch jede rotgekleidete Lady im Publikum ab. Wenn ich das gewusst hätte, wär‘ ich auch im kleinen Roten erschienen. Irgendwann fliegen ein paar Slips auf die Bühne. Von dem Fanclub in der ersten Reihen links können sie aber nicht stammen, die hätten nicht gepasst 😉

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Aber Chris ist nicht nur ein Schmuser. Rockige Klänge liegen ihm genauso, aber immer harmonisch mit eingängigen Melodien, fetzige Ohrwürmer mit Tiefgang. Denn immer hat er auch was zu sagen mit seinen Liedern. Dann kommt ein Medley mit Songs anderer Komponisten wie den Beatles. Spätestens jetzt hält es keinen mehr auf den Sitzen. Jetzt wird die dritte Reihe zum schlechten Platz, wenn man nicht auch aufsteht. Wie sollte man aber auch im Sitzen mit abrocken. Die Liebste ist seelig und tanzt begeistert. 2,5 Stunden gibt Chris und seine spielfreudige Band alles. Die Leute spüren, dass er richtig gut abgeliefert hat und akzeptieren, dass über die geplanten Zugaben nichts mehr geht. Ein Fan reicht ihm ein hübsch verpackte Flasche Feierabend-Stout. Prost, Chris, hast es dir reichlich verdient. Könnt ich jetzt auch gebrauchen. Aber es wird nur noch zu einem kurzen Zwischenstopp bei McD reichen.

Es ist schön, in einem Haufen glücklich schwatzender Menschen aus dem Saal zu gehen und in die strahlenden Augen seiner Liebsten zu sehen. Sehen wir uns in weiteren 30 Jahren wieder, Chris? Mindestens zwei Verliebte warten darauf …

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Hamburg kann man sich schenken!

… wenn man nach sieben Jahren immer noch verliebt ist. Ich hatte ihr Tarzan geschenkt und die Liebste mir ein abenteuerliches Wochenende in Hamburg. Passt! Und abenteuerlich wurde es dann auch angesichts der begrenzten Zeit. Was kann man in zwei Tagen in so einer tollen Stadt alles anstellen!?

Die Anreise am Allerheiligen-Donnerstag mit dem Auto dauert nun mal ihre Zeit, wenn alle Feiertagsbundesländler in den Norden wollen. Hetzen wollten wir nicht. Und so kamen wir spät abends hundemüde und ausgehungert bei Nieselregen in Hamburg-Norderstedt an. Das Hotel Schmöker Hof ist ein hübsches Tagungshotel etwas weiter draußen. Unser Zimmer riesig, das Bad fast gleich groß und durch die Spiegel noch größer wirkend. Gediegen und sauber, wenn auch mit durchgesessenen Sesseln. Vor dem alles entscheidenden Bettentest musste aber erst Mal der Hunger beseitigt werden. Etwas typisches sollte es schon sein. Fisch natürlich. Am liebsten Labskaus. So haben wir den Alt Hamburger Aalspeicher auserkoren. Nach gut 45 Minuten gegen 21 Uhr fast vor der Haustür an Hamburgs ältester Straße, der Deichstraße, einen Parkplatz gefunden und schnell in das Lokal rein.

Nett gemacht. Na klar, auf alt, aber stilvoll ohne zuviel Seemanns Kisch, gemütlich trotz des langgestreckten, engen Gastraums. Freundliche Begrüßung, flotte Bedienung und fantastisches Essen wie wir’s uns erhofft hatten. Labskaus für die Dame, Aal vom Grill für den Herren, davor Aal- und Pfeffersuppe. Was die Hamburger Pfeffersäcke eben so aßen. Hier hätten wir jetzt bis zum Morgen bei etlichen Körnern sitzen können. Aber wir hatten ja noch ne Dreiviertelstunde zurück ins Hotel.

Freitag stand Sightseeing und Museen auf dem Plan. Aber erst Mal ein ordentliches Frühstücksbuffet an einem lauschigen Erkerplätzchen mit etwas Sonnenschein vor den Fenstern und ganz viel in unseren Herzen. Ein gutes Frühstück und ein strahlendes Gegenüber vertreiben jedes miese Wetter. Nach der obligaten Dreiviertelstunde wollten wir zuerst ins Miniaturwunderland. Vor fünf Jahren waren wir schon fasziniert von der schier unendlichen Detailfülle und dem Witz der Anlage. Damals waren etliche Bauabschnitte in Planung. Die wollten wir nun sehen. Dummerweise dachten das Andere auch. Die Schlange war zwar kurz, durch die Zeittickets allerdings trügerisch, denn rein kam man erst nach eineinhalb Stunden. So beschlossen wir, das auf den Abend zu vertagen, wo der Laden bis 23 Uhr geöffnet ist.

In der Speicherstadt laden etliche andere Museen zum Eintritt und so gingen wir ums Eck ins Speicherstadtmuseeum. Hier wurde eindrucksvoll die Geschichte der Speicherstadt und ihrer Arbeiter gezeigt. Die Arbeitsbedingungen waren kaum vorstellbar hart. Gut zu verstehen, wie die Arbeitsweise das Tempo des gesamten Handels in Europa bestimmte. Denn über Hamburg flossen fast alle internationalen Güter ins Land.

Hauptware der Speicherstadt und Garant für den Reichtum der Handelsschiffer waren die Gewürze. Das Gewürzmuseeum versucht, die Geschichte rund um das würzige Gold anschaungsvoll zu präsentieren, scheitert aber an der Komplexität des Themas und der Besuchermassen. Alles ist ein bisschen versifft. Ich kann mir vorstellen, dass es zu Handelszeiten trotz vorsintflutlicher Bedingungen hier sauberer zuging.

Zwei Museen hintereinander machen nicht nur Füße platt. Dabei stand noch Einiges auf dem Plan. Z.B. die alte Gasse bei den Krameramtsstuben, die aber ein Reinfall war, weil von Tourinepp vollgestellt. Interessant aber die Wohnung der Kramerswitwe, die man dort besichtigen kann. Bescheidenes Leben auf zwei winzigen, niedrigen Zimmerchen, verbunden mit einer halsbrecherische Treppe und Blick aus dem Dachboden in die Gasse.

Nächster Programmpunkt Bonbonladen im Schanzenviertel. Die Süße wollte was Süßes. Der Laden ist eine echte Attraktion. Man schaut schwitzenden, muskelbepackten Kerlen zu,m wie sie riesige, heiße Zuckerplatten zu winzigen bunten Kunstwerken walken. Und dann wählt man aus dem schier unendlichen Angebot an Bobons in allen möglichen und unmöglichen Geschmacksrichtungen.

Jetzt waren die unter Extremitäten am Rande der Belastungsfähigkeit und Relaxen war angesagt. Zur Auswahl standen das Hotel Atlantic mit seinem berühmten Five-o-clock-Tea und das Chinesische Teehaus Yu Garden. Die Preise im Atlantic gaben den Ausschlag: ab zum Yu Garden, das in den Reiseführern für die Authentizität der Teequalitäten und -zeremonien gerühmt wird. Wir rechneten bei diesem Sauwetter mit vollem Haus und eilten über die verspielten Brückchen in das dem Original nachgebauten Teehaus, um noch einen Platz zu bekommen. Wir waren die einzigen Gäste, die der einzigen Bedienung den Nachmittag am Computer verdarben. Nach ausführlicher Lektüre der noch viel ausführlicheren Karte wählten wir sündhaft teure Teesorten angesichts des Hinweises, man könne ja fast unbegrenzt aufgießen. Die gerühmten Gebäckstückchen gab es leider gar nicht. Nur ein paar winzige Plätzchen (aber sehr lecker) und ein paar Erdnüsse im Teigmantel begleiteten den Tee. Der war dann die nächste Enttäuschung. Aroma nur zu erahnen. Vielleicht etwas für den geschulten Gaumen, nichts für den Meist-Kaffee-Trinker. Das war dann eine sehr entspannende, aber auch etwas langweilige Teatime. Da wäre im Atlantic mehr zu sehen gewesen. Na gut, das nächste Mal.

Auf dem Plan stand Abends noch ein Besuch der Ice-Bar und ein Snack in der IndoChine Lounge. Ich vermutete zu wenig Kalorien für so einen anstrengenden Tag und schlug noch einen Abstecher zu den Curry-Piraten vor. Wir schauen ja immer nach geilen Imbissbuden, wenn wir unterwegs sind und ärgern uns gerne über ganz mieses Fastfood. Hier allerdings sind wahre Könner am Werk. Im Gegensatz zu Bochums angeblicher Sterne-Imbissbude werkeln hier tatsächlich Spitzenköche und denken sich jede Woche eine besondere Wurstspezialität aus. Ich hab die herbstliche Hirschbratwurst auf Linsenvinaigrette mit Senfsabayon probiert und war hin und weg. Gut, etwas teurer als der übliche Wurstverschnitt (6,50 €), dafür aber hundert Mal besser. Dazu unglaubliche Fritten, außen kross und innen butterzart. Schade, dass wir hier nicht wohnen. Ich wüsste, wo wir wöchentlich einmal wären.

Zum Abschluss des Tages also noch ins IndoChine, einem Schickimicki-Club an der Außenalster. Auf trendy aber unbequemen Gestühl haben wir gebückt ein paar Indonesische Snacks probiert, die allerdings sehr gut waren und nach viel mehr schrieen. Nur hätte ich es auf dieser Couch nicht eine Minute länger ausgehalten und außerdem waren wir eingeladen, die IceBar zu besichtigen. Eine Bar ganz aus Eisblöcken gehauen. Hocker, Theke, Skulpturen, Gläser, alles aus Eis und quietschbunt beleuchtet. Man merkt, dass das ganze Unmengen an Strom kostet. Es werden nur kleine Gruppen hereingelassen, damit die nichts auftauen mit ihren Körpern und die Drinks gibt’s dann in gedämpftem Licht, vorher war kurz Lightshow angesagt. Nicht dass wir rausgeschmissen wurden, aber man war wohl schon froh, dass wir nicht länger bleiben wollten. Schon wegen der Kälte vermutlich. Der arme Barkeeper war aber ausgesucht freundlich und nett.

Und war da nicht noch was?! Ach ja, das Miniaturwunderland. Ganz in der Nähe. Nix wie hin und zügig ohne Wartezeit rein. Allerdings war unsere Aufnahmekapazität so ziemlich erschöpft. So blieb nicht mehr viel Kraft, all die herrlichen kleinen Szenen zu entdecken, die die zweifelhafte Moral der Erbauer beleuchten. So viel uns auf, dass unglaublich viele Unfälle nachgestellt sind, Mordszenen und die Arbeit der Gesetzeshüter, Unzucht hinter etlichen Büschen, Sex und Crime scheint in den Köpfen der Modellierer eine beherrschende Rolle zu spielen. Aber um diese Zeit ist das gar nicht so falsch und so begab ich mich auf die Suche nach den eindeutigen Stellen. Zu mehr als der Rückfahrt direkt ins bestens gepolsterte Hotelbett war dann nicht mehr genug Power da. Nicht mal um einige Szenen aus dem Miniaturland nachzustellen…

Samstag war Besichtigung und Kultur angesagt. 13:30 Uhr sollte die Bustour zum Containerhafen losgehen. Nach einem ausgiebigen Frühstück waren wir eine Stunde zu früh am Startpunkt, was den Vorteil der hektikfreien Parkplatzsuche mit sich brachte. In der Eiseskälte nahmen wir Zuflucht im Cafe gegenüber und harrten auf den Bus. Die Besichtigung des Containerhafens ist aus ziemlich unerfindlichen Gründen (es wurde zwar mehrfach erklärt, aber nicht plausibel) nur mit Persionalausweis oder Pass möglich. Überall wird darauf hingewiesen und der Busfahrer kontrolliert wie ein Zollbeamter. Und tatsächlich gint es immer wieder Leute, die den Perso vergessen haben. Davon profitiert dann das nahe Cafe, das keinen Zoll erhebt.

Zuerst ging es über die Kohlbrandbrücke in den kleinen Containerhafen, der noch mit diesen riesigen Containerliftern arbeitet, die von Hand gefahren werden, aber schon komplett computerisiert überwacht werden. Durch schier unendliche Wälder von geparkten Liftern (dem Handel geht es schlecht) und gestapelten Containern geht es zu den Schiffen am Kai. Wir sind beeindruckt von den Dimensionen und dem reibungslosen Tanz des Ausladens und Stapelns. Noch ahnen wir ja nicht, dass das nur ein kleiner Vorgeschmack auf die wahren Giganten ist. Die sehen wir dann nach einer kurzen Pause in der Seemanns-Mission, die der Entleerung der Blasen und der Befüllung der Spendenkasse dient. Unheimlich fahren Laster ohne Fahrer direkt auf Kollisionskurs aufeinander zu, um kurz vor der Katastrofe abzubiegen. Befüllt werden sie von hochhaushohen Kränen, die vor noch größeren Schiffen wie von Geisterhand gesteuert agieren. Kaum ein Mensch ist zu sehen. Direkt vor der Wand eines der größten Containerschiffe der Welt wird es dunkel. Wir sehen den Himmel nicht mehr vor lauter Stahl. Wirklich beeindruckend. Auf der Rückfahrt ist es ganz still im Buss. Man lauscht den kabarettreifen Erklärungen des sehr engagierten und allwissenden Reiseführers und versucht irgendwie die Eindrücke zu verarbeiten.

Jetzt hatten wir noch eine gute Stunde frei bevor es in das Theater Neue Flora ging, zum Dinner und zum Musical Tarzan. Stage Entertainment bietet passend zu den Aufführungen ein dreigängiges Dinner an, das man bequem vor der Show genießen kann. Ich hatte das spontan gebucht, ohne, wie ich das sonst so mache, in Qype etwas über die Qualität des Restaurants in Erfahrung zu bringen. Es erschien mir einfach bequem und stressfrei, ohne lange Sucherei nach einem Lokal, vorher etwas zu essen. Nun saßen wir im Cafe und ich googelte nach dem Tarzan-Restaurant, dem Cardozas. Die Liebste hatte vorher schon geschaut und war vom anisgebeizten Lachs „not very amused“, weil sie kein Anis mag. Und jetzt las ich noch vernichtende Kritiken über den Laden. Wars das dann mit einem schönen Abend? Mir kann so etwas ganz schön die Laune verhageln.

Egal. Augen zu und durch. Natürlich hat es was, direkt von der Tiefgarage ins Restaurant und von da ins Theater zu gelangen. Besonders beim dauernden Nieselregen, der pünktlich nach der Bustour wieder eingesetzt hatte. Der erste Eindruck vom Lokal war dann schon mal ernüchternd. Der Charme einer Bahnhofs- oder Basketballhalle konnten auch die festlich elegant eingedeckten Tische nicht überdecken: einfach zu riesig um gemütlich zu essen. Dass wir fast die Einzigen waren, verstärkte den Eindruck noch. Wenn es hier voll wird, dürfte der Lärmpegel erheblich sein. So saßen wir etwas verloren an einem Fenstertisch. Die Bedienung war sehr freundlich und aufmerksam, die Getränke kamen flott, ebenso ein kleiner Küchengruß, frisches Weißbrot mit einem schön abgeschmeckten Kräuterquark und einer leckeren Tomatenmarmelade. Dann kam ebenso ohne große Wartezeit der anisgebeizte Lachs (gar nicht so schlimm mit dem Anis, fand die Liebste) mit provencalischen Blüten und Dijonsenfsauce auf Linsengemüse und Feldsalat. Der Lachs zart und saftig, das Linsengemüse so wie ich es mag: mit Biss und nicht zerkocht, sehr fein gewürzt. Dem Feldsalat hätten allerdings ein paar Tropfen Vinaigrette gut zu Gesicht gestanden. Die nette Kellnerin meinte auf meine Beschwerde hin, dass hätte sie dem Koch auch schon gesagt, der sei aber der Meinung, dass gehöre so. Als Hauptgang hatte die Liebste gegrillten Zander mit gebratenen Coppa-Scheiben auf Champagnerkraut. Perfekt gegarter Fisch, dazu kleine gebackene Kartöffelchen in der Schale. Ich bekam das Steak mit Herbsttrompetenkruste. Zwar ohne Nachfrage nach dem Gargrad, aber dennoch rosa wie ich es mag und wunderbar zart, auf einer dichten Rotweinsauce mit Rosinen. Dazu zartgegarten Rosenkohl und ein cremiges Kartoffelgratin wie es sein soll, mit krosser Kruste. Als Dessert kam ein Hamburger Bratapfelflan mit gerösteten Mandeln, Zwetschgenröster und Wallnusseis. Abgesehen vom viel zu kalten, harten Eis ein passender Abschluss eines sehr guten Menüs. Das ganze für 31 Euro. Das geht so in Ordnung. Ich hoffe, das nun weitere Gäste den hervorragenden Standard des Cardozas bestätigen.

All so gestärkt und eingestimmt ging es dann gemächlich eine Treppe höher ins Theater. Wie schon in Bochum beim Starlight Express bemerkt, machen sich die Leute nicht mehr so fein, wenn sie ausgehen. Das ist schade, denn irgendwie gibt es dem Ganzen noch einen extra Kick. So liefen hier nur zwei junge Besucherinnen in Affenkostümen rum. Die Servicekräfte hätte man auch irgendwie in passende Klamotten stecken können. Das macht Disney in seinen Parks besser. Der Theatersaal dann schön hörsalmäßig gestuft. da hätte es vielleicht nicht unbedingt einen Platz in der 2. Reihe bedurft (was sich später auch bestätigte). Die Bühne raffiniert verhangen mit halbdurchsichtiger Gaze, auf der ein Segelschiff zu sehen ist. Die Schiff bewegt sich wie in rollender See durch ein leichtes Gebläse. Dazu enervierende Trommelklänge und die Vorgeschichte als Auszug aus dem Logbuch auf Seitenwänden eingeblendet. Jetzt steigt die Stimmung.

Als es losgeht, merken wir, dass es ein paar Reihen weiter hinten zwar genauso teuer, dafür mehr los ist: Eine Affenhorde schwingt sich von ganz hinten und von den Seiten auf die Bühne. Das ist ein zentraler dramaturgischer Trick, der sich durch das ganze Musical durchzieht. Immer wieder schwingen Protagonisten über die Köpfe des Publikums. Wir verdrehen die Hälse. Aber vor uns ist auch genug los. Die Bühne ist ganz einfach gehalten mit ihren Lianenwänden und doch lässt sie Einges zu. So ist die Eingangssequenz schlichtweg genial: Man blickt von oben auf die gestrandeten Eltern von Tarzan, die gehen über den Sand ins Landesinnere und die Szenerie kippt in die Waagerechte. Richtig geil gemacht.

Die Story ist bekannt anrührend. Dazu die Musik von Phil Collins. da kann eigentlich nix schief gehen. Nun mag ich Collins gar nicht und er schafft es meiner Meinung nach auch nicht, richtige Musical-Ohrwürmer zu kreieren wie das Elton John und Tim Rice beim König der Löwen gelungen ist. Dazu komt, dass die deutsche Sprache leider ziemlich unmelodiös ist und sich mancher Reim doch arg in die Melodie quält. Das macht aber dem Musical keinenAbbruch. Die Spieler sind fantastisch und geben alles. Der erste DSDS Gewinner Alexander Klaws als Tarzan hat merklich abgenommen und man nimmt ihm den drahtigen Urwaldbewohner voll ab. Schön auch Jane und ihr Vater und Tarzans Mutter und Affenfreund. Ein toller Abend, der nicht zu Ende zu gehen scheint. Immer wieder wirbeln die Schauspieler durch die Luft, fantastische Schmetterlinge schweben über den Besuchern und exotische Riesenblumen entfalten ein uriges Urwaldfeeling.

Das war der Höhepunkt eines anstrengenden aber wunderschönen Hamburg-Wochenendes. Der Sonntag war von der Heimreise geprägt. Leider wieder in zahlreiche Staus. Fazit: Wir kommen wieder! Schließlich werden noch etliche Jahrestage unserer Liebe zu feiern sein. Und das Miniaturwunderland baut immer noch aus. Und es wird neue Musicals geben und neue Bratwürste bei den Currypiraten.

 

Herz Sieben ist Trumpf!

… oder auch Sieben auf einen Streich! „Sieben!“, sagt der Maurer und erwartet feinen Sand. Und der steckt bekanntlich bei so manchen Beziehungen sprichwörtlich im siebten Jahr im Getriebe. Komisch: bei uns war das bisher nicht so. Na gut, von feinem Knirschen hin und wider mal abgesehen. Ab das ist ja noch im Normbereich. Denn Reibung erzeugt bekanntlich auch Wärme. Herzenswärme bei uns. Denn wir sind ganz unterschiedliche Menschen mit ganz ähnlichen Vorlieben. Genau das ist die Mischung, die es spannend hält. Gut für Beton, würde der Maurer da sagen. Und genau so fest soll es die nächsten siebenundsiebzig Jahre halten! Feiern werden wir das erst Mal Anfang November in Hamburg bei einem abenteuerlichen Wochenende mit heißen und eiskalten Genüssen. Mmmmh, ich freu mich drauf (auf den Norden und die kommenden Jahre mit Dir, meine liebste Geliebteste)!

Schwein gehabt!

Schweine begleiten unser Leben. Nicht nur kulinarisch. Schwein haben wir schon gehabt, als wir uns kennen und lieben lernten. Schwein haben wir mit unseren Ferkeln gehabt, die alle wohl geraten und rosig sind. Und unser Hundeschwein ersetzt das Minischwein, das eigentlich durch unseren Stall wuseln sollte. Die Liebste wünscht sich nichts sehnlicher als ein kleines Schweinchen. Nun ist es doch ein etwas größeres geworden. Vier Tage vor ihrem Geburtstag habe ich diese alte Schaufensterdekoration eines Metzgers im Internet gefunden. Siggi ist ein Lampenschwein. Jedenfalls hat er unten ein Loch zur Aufnahme einer kleinen Lampe. Nun bewacht er den Eingang zu unserer Küche und haut jedem Veganer den Kochlöffel um die Ohren. Bei so viel Schwein war die Geburtstagsfeier in kleinem Kreis natürlich gelungen. Jetzt freuen wir uns auf weitere gemeinsame Schweinereien, z.B. bei einem Besuch des Musicals Starlight Express. In diesem Sinne:

Vampire

Januarsonne! Eine Hassliebe! Mittags steht sie so tief, dass sie unverschämt mit voller Wucht in unsere Höhle dringt. Gnadenlos sticht sie in unser Hirnkastel und verursacht an dem, was da noch drin ist Schmerzen. Wie Vampire verdunkeln wir die Ruhestätte und verkriechen uns in unsere Särge. Dabei hätten wir die Sonne dringend nötig. Unsere Seelen gieren danach, nach all den düsteren Winterstürmen. Ich zähle deshalb die Tage, an denen die Sonne wieder aufwärts steigt und endlich wieder in einem verträglicheren Winkel auf unsere Häupter scheint. Bis dahin verstecken wir uns. Gut bevorratet mit Aspirin. Eingekuschelt ins Bettchen. Decke drüber. Auch schön. Vor allem mit einer solchen Froschkönigin…

Winterfreuden

… können ganz unterschiedlich sein: Der Spanier freut sich in seinem warmen Mäntelchen lauter Löcher in den Schnee, als sei er ein Husky. Die Liebste dagegen ist „not very amused“, ihre Suzi flott machen zu müssen.

Ich wiederum genieße den Spaß, den der Hund hat. Mit dem Fellgesicht in den Schnee zu gehen, ist wie mit einem Kind Schlitten zu fahren. Der Kleine hat einen Mordspaß, schnuffelt wie ein Schneepflug hinter den Mäusespuren her, dass die weiße Pracht nur so stiebt. Dann bleibt er steh’n und schaut nach seinem Herrchen, was der so treibt. Den treibt es eher nach Hause. Zu heißem Tee mit knackenden Kandis, einer fetten Scheibe Butterstollen und den lieb funkelnden Äuglein vom Frauchen. Dazu der knisternde Kamin von der CD und „Somewhere over the Rainbow“ von Israel Bruddah Iz Kamakawiwo“ole. Drinnen wie draußen ist es wunderschön. Man muss nur genau hinsehen. Wie immer im Leben.