Niederländisches, Irisch-Schottisches und deutsche Schokolade

Sittard! Schnell: Wer kennt das? Schon mal gehört? Nööö? Ich auch nicht. Aber jetzt kenne ich es. Dank meinem Schatz, die mich zu einem Candle-Light-Dinner am Wochenende in das schöne Städtchen Sittard, Provinz Limburg, Niederlande, eingeladen hatte. Sittard hat nämlich etwas ganz Besonderes: Ein schnuckeliges Hotel, das in einem ehemaligen Kloster-Komplex liegt. Ein altes holländisches Ursulinenstift wurde liebevoll und behutsam renoviert und ein Teil davon zu einem Hotel umgebaut. Das 4-Sterne-Hotel Merici ist ein Kleinod von Hotel. Die alten Strukturen wurden größtenteils erhalten und eine moderne Hotelarchitektur integriert. Unser großzügig geschnittenes Zimmer liegt im Erdgeschoss und man hat dort einen, wie in Holland üblich, durch keine Gardine getrübten Blick in den Klostergarten.

Merici

Mit fremden Betten hab ich ja so meine Probleme. Mein altes Gestell braucht vertraute Matratzen, sonst rebelliert es nach dem Aufstehen und kann einem das schönste Urlaubswochenende versauen. Die Betten im Medici sind allerdings erste Sahne. So gut wie dort habe ich schon lange nicht mehr geschlafen! Kann aber auch an meiner reizenden Begleitung gelegen haben. Das bequeme Bett musste allerdings auch ein Manko wettmachen, das zwar wunderschön anmutet, aber nicht eben praktisch ist: Das Zimmer besitzt statt eines Bades mit Toilette eine Sanitär-Nische. Ich nenne das jetzt mal so. Also eine Erweiterung des Zimmers gegenüber dem großen Baldachin-Bett, mit wunderschönem Granitwaschbecken, Spiegel und Ablagen. Rechts und links davon je ein Kämmerlein mit dunklen Kacheln, passend zum Waschbecken. Aber nur mit einer Tür aus transparentem Milchglas, die unten und oben auch noch einen großen Spalt zum Lüften offen ließ, eher weniger denn mehr verschlossen. Nun ja, da muss die intime Zweisamkeit schon sehr innig sein, um olfaktorisch und akustisch zu harmonieren.

Vielleicht sind wir auch schon zu alt für solche neckischen innenarchitektonischen Spielchen. Gut, dass das Frühstücksbüffet ein Traum ist. Genau wie das ganze Hotel nachhaltig geführt und mit Bio-Waren bestückt (mit Ausnahme des trotzdem äußerst leckeren Nespresso-Kaffees vielleicht). Ein Koch bereitet nach Wunsch die Eier frisch auf einer Kochplatte in allen möglichen Variationen zu. Viele frische Säfte und sagenhaft leckere, frisch gebackene Croissants und Brötchen, der zarteste Lachs, ein hervorragender, alter Gouda und viel, viel mehr haben uns den Tag gleich am Anfang versüßt.

Sittard ist winzig und die Altstadt besteht nur aus dem Kloster und einem großem Marktplatz mit wunderschönen alten Wirtshäusern. Aber nichts Anregendes für ein verliebtes Paar. Deshalb sind wir zunächst ins zwanzig Kilometer entfernte Maastricht gefahren, wo uns der Freitagsmarkt lockte. Vor allem der Fischmarkt hatte es uns angetan. Hier gibt es alles, was das Meer hergibt. Wir haben Fische gesehen, die wir nie zuvor gesehen hatten. Am liebsten hätte ich mich von Stand zu Stand durchgefressen. Immerhin habe ich mir jungen Matjes gegönnt, die Leibspeise der Niederländer (und mit Verlaub: auch die einzige, die mir schmeckt). Der Fisch ist so zart, dass man ihm mit den Lippen zerteilen konnte und man aufpassen muss, dass er beim Einstippen in die Zwiebelwürfel nicht von der Gräte flutsch.

Matjes

Der Rest des Marktes rund um das wuchtige Rathaus ist ein gigantischer Kramladen. Gefühlt Tausende von Ständen bieten Stoffe und Klamotten, Schmuck und Stehrumchen und Staubeinchen an. Nach ein paar Reihen hat man das Gefühl, alles gesehen zu haben. Der Geist wird müde, die Beine waren es schon lange und der salzige Matjes verlangte nach was Süßem hinterher. So sind wir durch die engen Gassen rund um den Marktplatz gestolpert, direkt auf ein unscheinbares, kleines Café zu, weitab vom Touritrubel. Das Taart ist ein witziges Café, schlicht eingerichtet mit einem Mix aus hypermodernen, knalligen Gemälden und antiquarischem Cafehaus-Interieur. Kitschige, bunte Sammeltassen und -Kannen überall. Die Kuchen werden selber gemacht und sind so bunt wie die Bilder an der Wand. Allerdings schmecken sie um Längen besser. Wir hatten einen Kokos-Bananen- und einen Mango-Ananas-Kuchen. Die Besitzerpärchen ist sehr nett und berät bei der Auswahl. Witzigerweise hatte sie ein T-Shirt an mit einem großen Schnurrbart drauf und dem Text: I’ll cut your moustache!“. Klar, dass sie unbedingt meinen Bart anfassen und wissen wollte, wie der gestylt wird. Auf einem Finger hatte sie auch noch einen Schnurrbart tätowiert. Ganz offensichtlich bartgesteuert, die Frau. Wenn ich nicht schon über beide Ohren verliebt wäre, hier hätte ich größte Chancen gehabt. …

Hoeschen

Am Abend nach dem Einchecken ins Hotel dann ein Bummel durch die Altstadt rund um den vor Touristen brodelnden Markt. Uns war klar: Hier wollten wir nix essen. Über tripadvisor hatten wir uns über die einheimische Gastronomie schlau gemacht. Wir wollten was typisch Niederländisches essen. Aber das einzige einheimische Lokal bot auf der Karte Zweifelhaftes von Schwein und Huhn mit viel Mayonnaise an. Also entschieden wir uns für den bestbewerteten Griechen vor Ort. Der aber war hoffnungslos voll und die Frage, ob draußen serviert werden würde (wo ein Tisch frei war), wurde patzig verneint. Jetzt war es schon 21 Uhr und wir Hunger dominierte unser Denken. Direkt gegenüber dem Griechen lag ein rustikales Lokal, das Eetcafe PretZels, mit vielen alten Reklametafeln an der roten Häuserwand und einem Ständer, auf dem (auf englisch) das frische Bier und „topless-Bartenders“ angepriesen wurden. Die Liebste war weniger amused, ich hätte die Oben-Ohne-Bedienung schon notgedrungen irgendwie toleriert, wenn es nur etwas Gescheites zu essen geben würde.

Rathaus Gasse

Eigentlich war uns alles egal und wir betraten das Lokal, einen Irish Pub, dessen Wände über und über mit Whiskey-Flaschen vollgestellt war. Sehr urig und ziemlich leer. Gespannt, was uns erwarten würde, nahmen wir Platz. Ein junger, sehr beflissen wirkender Kellner (vollständig bekleidet) überreichte uns dicke Ordner mit der Speisekarte. Auf ca. 50 Seiten wurden die Gerichte und die Whiskeys liebevoll und ausgiebig beschrieben, leider nur auf holländisch. Nur eine Seite fasste alles auf englisch zusammen. Mein Auge fiel sofort auf das schottische Nationalgericht Haggis. Die Liebste fand das Sour Stew toll, auch wenn sie das „Gingerbread“ dazu etwas irritierte. Das Sour Stew mit Gingerbread erwies sich dann aber als schottisches Pendant zu rheinischem Sauerbraten. Das Gingerbread war Spekulatius. Und zwar reichlich. So durfte ich die Hälfte vom Stew verdrücken, neben einem fantastischen Haggis. Vorne weg ein Gruß aus der Küche mit Schinken, Erdbeermarmelade und Minigrissinis. Dann ein toller Salat aus Früchten der Saison mit Blattsalaten. Als Nachtisch ging nur noch ein Whiskey, auf Empfehlung des Wirtes ein frisch importierter Island-Wiskey von Laphroaig, ein QC Cask, ein Blend aus verschiedenen Wiskeys. Unvergleichlich mild und doch voller Torf- und Raucharomen. Dazu noch die paar Guinness, die mir noch nie so gut geschmeckt haben wie hier, und die Augen meiner Liebsten im Kerzenlicht gegenüber: Was kann es Schöneres geben?!

Pretzels

Am nächsten Tag dann wieder ab nach Maastricht, Bootchen fahren. Für die avisierte Schleusenfahrt war es, dank des ausgiebigen Schlemmerfrühstücks, schon zu spät. So buchten wir die Fahrt in das Bassin, die alte Hafenanlage von Maastricht. In einem kleinen, flachen Boot voller aufgekratzter Holländer und ihren süßen Kindern ging es durch alte Kanäle, durch eine große, beeindruckende und eine kleine, alte Schleuse, in die alten Hafenanlagen, die vor hunderten von Jahren von Sklaven aus den holländischen Kolonien, sicher nicht unter komfortablen Bedingungen, erbaut wurden. An der modernen Skyline von Maastricht vorbei endete die zweistündige Fahrt. Wir waren mal wieder geistig wie körperlich platt – vom vielen Rumgucken und -sitzen. Nicht weit vom Parkhaus (das ein Vermögen kostete) lag unser nettes Café vom Vortag und so schleppten wir uns dorthin, um uns durch die tollen Kuchen und dem aromatischen Kaffee wieder aufbauen zu lassen.

Maas1 Maas2

Abends stand das Candlelight-Dinner an. Das Restaurant des Hotels liegt ausgelagert, ca. 70 Meter weit entfernt, am Marktplatz. Von alleine wären wir hier nicht reingegangen, da das de Kroon so nach Touri-Nepp aussieht. Das Lokal war komplett besetzt. Nur für uns war noch ein winziges Tischlein, direkt neben dem Gang zum Klo und zur Küche (was sich aber gottseidank nicht olfaktorisch bemerkbar machte) reserviert. Nach ziemlich langer Wartezeit ging es dann los mit einem Carpaccio von Limburger Rinderlende mit Gänseleberpastete, Salat mit Speckcroutons und einer Parmesanhippe. Dann folgten recht zügig ein Hummercremesüppchen mit einem Meerrettichsahne-Crouton. Ofengebackenes Kalbsfilet an Rosmarinjus mit Champignon-Kartoffelstampf und knackigen grünen Bohnen waren der Hauptgang. Das Dessert wurde eingeleitet von einer Roquefort-Terrine auf Nussbrot mit Crema vom Apfel und gebrannten Nüssen. Mangosorbet auf Erdbeer-Papaya-Trifle rundete das Menü ab.  Das alles in Bioqualität für relativ wenige Neuronen. Korrespondierende Weine hatte ich dazu nicht gewählt, weil ich nicht wie Miss Sophies Butler meine Liebste zum Hotel geleiten wollte. Das alles in einem tollen Ambiente mit z.B. Servietten aus schadstofffreiem, fairgehandelten Stoff. In einem zauberhaften holländischen Städtchen. Wir waren schwer begeistert!

Frühstücksbedingt spät haben wir uns dann am Sonntag spontan entschlossen, auf der Rückfahrt noch einen Abstecher ins Schokoladenmuseeum in Köln zu machen. Köln war in einer Stunde zu erreichen und somit ideal für einen Nachmittagsspaziergang über die Domplatte und anschließender Fahrt mit einem Bimmelbahn-Busschen zum Museum am Rheinufer. Was wir nicht wussten: An diesem Tag lief ein Triathlon und die halbe Stadt war abgesperrt (inkl. Altstadt und Rheinufer). Und was wir außerdem nicht bedacht hatten: dass Sonntags eben alles, was zwei Beine hat, ins Schokoladenmuseum pilgert. So war der Spaß etwas begrenzt. Immerhin gönnten wir uns ein Kaffeepäuschen im Museumscafe beim Warten auf die Schokoladentäfelchen, die wir für unsere lieben Kleinen daheim kreiert hatten und die nun in der museumseigenen Manufaktur angefertigt wurden. Ich erlag noch den Lockrufen eines Chateau Framboise, einer kuchengroßen Praline.

Nun noch fix nach Gießen unseren kleinen Spanier wieder abholen, auf den die Kids aufgepasst hatten. So gerne wir ihn dabei gehabt hätten: Es wäre für alle Beteiligten nur Stress gewesen. Und so war es ein wunderschönes zweisames Wochenende. Müssen wir unbedingt bald wieder mal machen …

Mehr Bilder gibt’s HIER auf flicr.

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