Highway to and from hell

Bei der Anfahrt haben wir noch gescherzt: We’re on the highway to hell! AC/DC – wir kommen! Auf der A6, von Frankfurt kommend, war das Ziel der Hockenheimring, auf dem an diesem Samstag, den 16. Mai 2015 eines der wenigen Deutschland Konzerte der Kultband von Downunder stattfinden sollte. 100.000 Karten waren verkauft worden, da machte es schon Sinn möglichst frühzeitig zu kommen. Einlass war um 14 Uhr, wir wollten so zwischen 2 und 3 dort sein. Es lies sich gut an. Die erste Abfahrt zum Ring war zwar schon gesperrt, aber die nächste war noch frei. Mit Stau zwar, aber immerhin ging es zügig weiter. Wir wollten bei McD noch eine Pinkelpause einlegen und verpassten so die Auffahrt zum nahgelegen Parkplatz. Bei der Fahrt vom McD-Parkplatz runter (etwas kompliziert durch ein Industriegebiet) verfranzten wir uns etwas (keinerlei Hinweisschilder auf den nächsten Parkplatz) und landeten irgendwie wieder auf der Autobahn Richtung Mannheim. Nicht weiter tragisch, da die nächste Abfahrt uns direkt zu P5 führte. Von dort ging aber kein Shuttlebus. Und da ich zurzeit einen bösen Hüftschaden habe, wollten wir uns keine lange Laufstrecke zumuten. Also kehrten wir um und fuhren wieder den ersten Parkplatz an, C9, am entgegengesetzten Ende der Stadt. Kein Problem, denn von dort fuhr ein Shuttle zum Ring. Dachten wir zumindest.

IMG_8895

Der knallvolle Bus mit bestens gelauntem Fahrer (er offerierte dauernd Würstchen vom Grill) kurvte durch die halbe Stadt und hielt dann mitten in einem Wohngebiet. Mit den Worten: „Da drübe is der Ring, net weit!“ wurden wir dort rausgeworfen und liefen nun der Herde nach. Verlaufen hätten wir uns nicht können, es ging nämlich an schmucken Reihenhäusern und Villen vorbei, deren Bewohner die Gunst der Stunde nutzten und Getränke verkauften. Offenbar ist dieser Weg nicht das erste Mal zum Laufsteg zum Ring geworden, denn die Verkaufsstände sahen nicht gerade improvisiert aus. Hier verdient sich so mancher einen guten Teil der Hypotheken.

Vorbei ging es am P2, der im übrigen völlig leer war. Hätte man uns hierher gelotst, wäre der Shuttle überflüssig gewesen. Dann ging es über eine Straße auf den Zufahrtsweg zum Ring, unter einer Unterführung durch. Und schon waren wir da. Dachten wir. Die bisher gelaufene Strecke (gut 3 km) war aber erst der Anfang vom Horrormarsch gewesen. Denn nun führte der Weg um die komplette Nord- und Hauptribüne herum, vorbei an Campingplätzen mit lustigen Campern, die ein Füttern-verboten-Schild an den Zaun gepinnt hatten. Das Lachen blieb uns aber im Hals stecken, denn hier an der Haupttribüne war der Marsch noch lange nicht zu Ende. Weiter ging es an den Südtribünen vorbei, bis in Höhe der Südkurve endlich der erste Einlass erreicht war. Es ist eigentlich völlig unverständlich, warum die Shuttlebusse nicht bis dorthin gefahren sind. Denn dort wäre genug Platz gewesen.

IMG_8897

Wer nun dachte, er könne jetzt von hier direkt aufs Gelände, wurde ziemlich enttäuscht. Weiter trabte die Horde um das Gelände herum auf die Nordseite. Beim Anfang der Innentribühnen war dann die zweite Einlasskontrolle. Hier spielten sich wahre Dramen ab. Denn es hieß, alle Flaschen oder sonstigen Proviant abliefern, auf dass der Profit der Veranstalter noch weiter gesteigert würde, denn die Verpflegungskosten drinnen waren exorbitant. Aber davon später … Auch Sitzkissen wurden konfisziert und harmlose Kameras, die eine gewisse Größe überstiegen. Da hier nicht im Vorfeld klar geregelt war, was noch als Handkamera und was als Profikamera durchgeht, wechselten auch schon kleine, teure Micro-Four-Third-Geräte unfreiwillig ihren Besitzer!

Weiter ging es an den Innentribünen vorbei, rund um das Festival-Gelände herum. Der Strom der Fans riss nicht ab. Aber durch die frühe Einlasszeit entzerrten sich die Massen. Es ging entspannt und fröhlich zu. Nicht so bei uns Lendenlahmen. Mehrfach kamen Überlegungen auf umzudrehen. Dabei erging es nicht nur uns so. Bei einem Konzert einer Band, die in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals Furore gemacht hat, war es klar, dass etliche Senioren sich die Show nicht nehmen lassen würden.

Endlich dann der Eingang aufs Gelände. Um Viertel vor 3 waren wir auf dem Parkplatz angekommen. Jetzt war es kurz vor 5! Gute zwei Stunden Wandern um den Ring herum! Das Gelände war in drei Zonen aufgeteilt. Ganz vorne ein Areal, dann dahinter ein größeres und der Raum zwischen Innenraum und Tribünen, wo auch die Catering-Stände zur Abzocke bereitstanden. Es waren Armbändchen ausgegeben worden. Die im vorderen Raum Stehenden bekamen ein weißes, die im zweiten Raum ein blaues. Als wir kamen gab es keine Bändchen mehr. Mit anderen Worten: Für unsere 100 Euro Eintritt hätten wir dem Konzert an den Seiten bei den Bierbuden oder ganz weit hinten an den Tribünen lauschen dürfen! Dabei waren noch genügend Bändchen vorhanden. Diese wurden aber von den „Türstehern“ nur noch an diejenigen abgegeben, die noch kein Bändchen hatten und den Raum vor der Bühne verlassen wollten. Gottseidank gelang es unseren Kids, die schon am Vormittag angereist waren, die Security von meiner lahmen Hüfte zu überzeugen und der Charme meiner Tochter gab den Ausschlag: Wir bekamen weiße Bändchen.

IMG_8910 IMG_8900

IMG_8904

Nachdem wir uns bis ca. 30 Meter links vor die Bühne vorgearbeitet hatten, wo der Rest der Familie stand, waren wir sanatoriumsreif. Die Bühne war kaum zu sehen. Kleinere Menschen sahen gar nichts. Da blieb nur der Blick auf die Videowände. Das Publikum war gut drauf, die Stimmung allerdings mitunter fragwürdig, da links von uns fröhlich das Horst-Wessel-Lied und anderer rechter Dreck aus vollen (bitte wörtlich nehmen) Kehlen gesungen wurde. Dagegen kam Atemlos-durch-die-Nacht von rechts kaum an. Auch macht es wenig Spaß, wenn Besoffene nicht umfallen können, weil alle so gedrängt stehen. Wundersamerweise kamen durch das Gedränge immer wieder Bierverkäufer durch. Der halbe Liter für 5 Euro! Plus Pfand für den Becher natürlich. Nach den Strapazen der Anreise und bei dem Wetter hast du Durst ohne Ende. Da zahlst du jeden Preis! Aber warum muss es nur Bier sein? Man kann doch auch alkoholfrei Getränke überteuert verkaufen? Und du kalkulierst, wie viel Fassungsvermögen deine Blase hat. Denn deinen Platz willst du nicht wegen Kloganges verlieren. Ein Problem übrigens, das viele meiner Geschlechtsgenossen nicht als solches erkannten und fröhlich überall hin pissten. Mir tut das Personal leid, dass z.B. die vollgepissten Trennwände abbauen muss. Die durchaus zahlreich vorhandenen Dixie-Klos waren übrigens meist voll bis Oberkante Sitzplatz, und darüber hinaus.

Angekündigt war eine D-Jane vom Metallhammer Magazin. Nun ja, zu verstehen war eh nix, zu sehen auch wenig, lassen wir das mal so durchgehen. Dann die Vorgruppe Vintage Trouble (der Name passte wenigsten zu einem Teil des Publikums, er sprach mich irgendwie an). Mieser Sound hat vermutlich den Reiz deren Musikstils zunichte gemacht. Passte irgendwie nicht hierher. Immerhin war der Sänger eine Augenweide, der wie eine Inkarnation von James Brown über die Videowand hüpfte und begeistert umher kreischte. Ich verstehe nicht, warum man nicht regionalen Gruppen die Chance gibt, sich ein bisschen Ruhm und Kohle zu verdienen. Es gibt so tolle Bands, die auch stilistisch besser gepasst hätten. Haben die alten Säcke etwa Angst, dass man ihnen die Show stiehlt?

IMG_8921 IMG_8930 IMG_8940 IMG_8948 IMG_8959 IMG_8989 IMG_8993 IMG_9001

Das wäre unbegründet gewesen. Denn was AC/DC da boten war einfach der Hammer. Als die ersten Videobilder von Astronauten über die Videowalls flimmern sind alle Unbillen vergessen. In einem genialen Intro entdecken Astronauten ein meteoritenähnliches Gebilde, das sich exsplosionsartig auf den Weg zur Erde macht, um endlich in einem riesigen Feuerball auf der Bühne einzuschlagen. Die bekannte Bühnendeko spuckt Feuer und Rauch, Blitze zucken und der Rocknroll-Zug setzt sich in Bewegung. Rock or bust, die erste Nummer vom neuesten Album ist der Opener. Und er fetzt rein, wie das nur AC/DC kann. Gelegentlich kann ich ein paar der Heroes auf der Bühne ausmachen. Wäre da nicht die Videowand direkt vor uns, es wäre ein Blind Concert. Aber das ist jetzt auch egal. Nach fast vierzig Jahren bin ich bei einer meiner Lieblingsbands! Der Sound ist Scheiße, fast nur durch Wortfetzen erkenne ich die Songs. Meine Hörgeräte hab ich abgestelt. Den frühen Konzerten von Deep Purple, Rory Gallagher und Ten Years After habe ich sie zu verdanken. Jetzt bräuchte ein Toter sie nicht mehr. Es ist tierisch laut. Viele tragen Ohropax. Ich nicht. Ist eh zu spät dafür. Die Show also der Hammer! Zwei Jahre älter bin ich als Angus Young. Was der da auf der Bühne losmacht, hab ich nicht als 26-jähriger geschafft! Unglaublich! Die langen Pausen zwischen den Titeln lassen aber darauf schließen, dass hier hochkonzentrierter Sauerstoff oder sonstige Mittelchen zwischendrin genommen werden. Diese Pausen trüben den Ablauf auch ein bisschen, die Spontaneität geht kaputt. Auch stört uns, dass da kaum Interaktion mit dem Publikum stattfindet. Keine Begrüßung, und wenn sie noch so enthusiastisch geheuchelt wäre. Schade. Sie liefern ab, was erwartet wird. Aber eben auch nicht mehr. Zwei Stunden mit genau kalkulierter Zugabe dauert das Feuerwerk ihrer Hits und endet auch mit einem. Ein grandioser Abschluss eines tollen Konzerts. Und dann, um 22:45 Uhr beginnt die Hölle 2.0!

IMG_9014

Wo am Anfang 100.00 Menschen stundenlang Zeit haben zu kommen, wollen nun 100.00 Menschen auf einmal nach Hause! Jetzt hätte man vielleicht erwarten können, dass man die Fluchtwege aufmacht oder sonstwie mehrere Ausgänge anbietet. Aber nein: So wie rein, so auch raus! Ein einziger Ausgang! Ich will mir nicht vorstellen, was passiert, wenn jetzt eine Panik ausbricht! Das Gedränge ist schlimm! Wer jetzt den genialen Einfall hat, zu warten, bis sich die Mehrheit verzogen hat und noch ein Bierchen zischen will, hat schlechte Karten: die meisten Cateringstände sind geschlossen. Irgendwie hat das den Charme eines Rauswurfs.

Mir wird klar, dass ich den ganzen Rückweg um das Gelände herum nicht mehr schaffen werde. Die Hüfte protestiert lautstark. Wir fragen einen Security-Typen nach der Möglichkeit, ein Taxi zu bekommen. Der Mann ist nett (wie übrigens alle Securityleute), hilfreich und versucht, uns über Funk eine Auskunft von seinem Leitstand einzuholen. Das klappt aber nicht. Er bietet uns an, bei den Tribünen rauszugehen. Dort hat mittlerweile eine vernünftige Security-Mitarbeiterin einen Zaun geöffnet. Hier kann man auf die Tribüne rauf und auf der anderen Seite wieder runter. So stehen wir dann vor der Südtribüne C2 und hoffen dort, ein Taxi zu bekommen. Schnell wird klar: Das hoffen Tausende andere auch. Und es gibt auch gar keine Möglichkeit für Taxen, an das Gelände heran zu kommen. Alle Straßen sind zur Einbahn umgewidmet worden und führen vom Ring weg. Also zum nächsten Shuttle laufen. Aber wo ist der? Wieder um das ganze Gelände herum, durch die Wohnsiedlung durch? Never! Wir beschließen, zum nahegelegenen P6 zu gelangen, um dort unser Taxiglück zu versuchen. Ein guter Entschluss. Denn wie wir später hören, gibt es bei der Unterführung panisches Gedränge. Loveparade lässt grüßen! Gelernt haben die Verantwortlichen offenbar gar nichts.

Auf dem Weg begegnen uns Polizisten, die den Verkehr überwachen (aber nicht regeln!). Mein Sohn hatte Anfang des Jahres einen schweren Beinbruch und das frisch verheilte Bein protestiert nun auch gegen den Gewaltmarsch. Zu allem Überfluss plagte ihn schon den ganzen Tag ein nervöser Darm. Also fragt mein Sohn verzweifelt die Polizisten nach einer Taximöglichkeit. Die winken ab, erkennen aber die Situation und wollen uns ein Krankenfahrzeug organisieren. Da kommt ein Feuerwehrmannschaftswagen der örtlichen freiwilligen Feuerwehr vorbei. Kurzerhand halten die Polizisten den Wagen an und bitten die Kollegen, uns zum nächsten Parkplatz mitzunehmen. Erfreut sind die nicht gerade, sie haben Schichtende und wollen auch nur ins Bett, aber sie nehmen uns mit! Was für ein Glück! Wir fahren Meter für Meter durch die total blockierte Stadt. Ein einziger Stau! Und wir sehen von unseren bequemen Plätzen die armen Konzertbesucher völlig fertig durch die Nacht taumeln, ihren Autos entgegen. In der Nähe unseres Parkplatzes (wie wir glauben) lässt uns die Feuerwehr aussteigen. Ich kann keine drei Schritte mehr gehen und erreiche mit letzter Kraft einen total überfüllten McD, wo die Schlange aus dem Klo bis auf die Straße reicht, eben so wie die Scheiße aus den überforderten Kloschüsseln. Übrigens sind die Mitarbeiter/innen bei McD dem Chaos absolut gewachsen. Freundlich, höflich, geduldig bedienen sie sich einen Wolf. Chapeau! Das ist richtig Klasse!

Die Liebste und mein Sohn wollen die paar Schritte zum Parkplatz laufen. Das ist so gegen halb eins. Nach einer halben Stunde melden sie sich. Der Parkplatz war noch drei Kilometer entfernt gewesen. Nun sind sie dort, aber alles ist verstopft. Die einzige Ausfahrt ist komplett überlastet und die Einfahrt, zu der ja nun niemand mehr reinkommt, gesperrt. Ich gedulde mich und ordere den dritten BigMac. Dann kommen viertelstündlich die Durchhalteparolen vom Parkplatz. Es geht keinen Meter voran. Die Ärmsten. Ich sitze hier beim vierten BigMac und sie haben nicht mal was zu trinken im Auto. Irgendwann gegen drei Uhr morgens macht die Polizei die Einfahrt auf und sie kommen mich endlich abholen. Um 3:15 sind wir auf dem Heimweg, um kurz vor 5 im Bett! Meine Tochter nebst Anhang waren übrigens per Bahn und Flixbus von Gießen aus via Frankfurt und Mannheim nach Hockenheim angereist. Um den letzten Zug nach Mannheim zu bekommen mussten sie den ganzen Weg zurück rennen. Der Zug war überfüllt, es gab tumultartige, hässliche Szenen, verspätete Abfahrt und dadurch gefährdeter Anschluss an den Bus. Fazit: Ein total geiles Konzert – aber nie, nie, niemals wieder! Jedenfalls nicht auf dem Hockenheimring und ganz sicher nicht mehr auf Konzerten des Veranstalters United Promoters!

Musical-Highlight und Currywurst-Desaster

Licht und Schatten können so nahe beieinander liegen. Was hatten wir uns auf diesen Freitag gefreut! Ruhrpott intensiv mit Starlight Express! Seit 30 Jahren läuft dieses Musical und so lange schon wollte ich hin. Und die Liebste sammelt ja Musicals. Dieses fehlte noch in Ihrer Sammlung. Die Tickets lagen dann im März auf dem Geburtstagstisch und wir planten seitdem den Tag um das Musical herum. Ruhrpott extrem sollte es sein. Mit Bergarbeiter-Museeum und – natürlich – Currywurst.

Kommste inne Stadt, was macht dich da satt? Ne Currywurs! wusste schon Grönemeyer und angeblich soll der Song hier in Bochum an der besten Currywurstbude der Welt geschrieben worden sein. Zwei hervorragende Currywurstbuden nennt das Internet in Bochum. Da ist das Bratwursthaus im Bermudadreieck (ein Vergnügungskietz) und der Profi-Grill in Wattenscheid. Das erstere hat Grönis Hit hervorgebracht und wird wegen der gnadenlos guten Currywurst gelobt, das letztere hat als Besonderheit einen „Sternekoch“, wie man hört, der die Sterne satt hatte und was Bodenständiges machen wollte.

Sternekoch hört sich nach ganz besonders guter Wurst und raffinierter Soße an. Wir konnten es kaum abwarten und fuhren am Nachmittag hin, nachdem wir zuhause zu spät weggekommen waren und Dauerregen die Fahrt behindert hatte. Hunger lässt bekanntlich jede Kritikfähigkeit schrumpfen wie ein Nogger an der Sonne. Notfalls hätten wir Lederschuhe mit Soße gegessen, vorausgesetzt, es wäre genug Curry dran gewesen. Von Berichten waren wir vorgewarnt: Ein ganz typischer Imbiss in einer ganz typischen Rurpottstraße. Von außen in der Tat wenig einladend, eher die Inkarnation eines billigen, schnellen, fettreichen Essversprechens. Der Raum ist klein und durch die dunkle Einrichtung düster. Dafür strahlt die Theke mit der Grillzone dahinter grell wie eine Puffreklame. Hinter der Glasfront stapeln sich Frikadellen-Berge und gut halbmeterhoch panierte Schnitzel. Alle denkbaren Salate quetschen sich malerisch Schüssel an Schüssel. Die Tafel mit den Gerichten an der Wand ist entsprechend umfangreich.

 

2,20 soll die Currywurst kosten. Günstig, wie ich finde. Zahlen die Hessen doch in der Regel einen Euro mehr dafür. Doch für Ruhrpottverhältnisse sei das noch recht teuer, hatte ich gelesen. Da fragt man sich sofort, wie für das Geld noch Qualität auf den Teller kommen soll. Wir entschieden uns für eine doppelte Curry mit Kartoffelsalat und eine einfache Curry mit Pommes rot/weiss. Die freundliche Bedieniung bat uns an einen Tisch und es dauerte nicht lange, da standen die Teller vor uns. Anzuschauen ganz nett, mit einem Petersiliensträusschen (immerhin glatte Petersilie, ein Gruß vom Sternekoch?). Der Biss in ein Stück Currywurst mit Sauße ließ mich fast die Gabel aus der Hand fallen: Kaum Wurstgeschmack, versunken in einer süßen, pappigen Brühe. Wäre nicht etwas Curry darauf gestaubt gewesen, hätten wir gar keinen Curry geschmeckt. Einfach nur süßsalzig und ansonsten fade und ausdruckslos. Von Schärfe erst gar nicht zu reden. Wir schauten uns entsetzt an. DAS soll eine der besten Currywürste sein? Von einem Sternekoch? Schnell einen Bissen Kartoffelsalat genommen. Der war ordentlich. Bissfeste Kartoffelscheiben in cremiger, gut gewürzter Sauce mit frischen Schnittlauch. Das Ganze reichlich. Die Pommes der Liebsten waren auch OK. Nichts auszusetzen. Aber wir waren wegen der Wurst hier. Nicht mal Ruhrpottflair hat der laden verströmt. Kaum Kunden da. Und die haben keinen Dialekt gesprochen. Schade, das war also ein echter Reinfall. Hab dann noch mal gegoogelt: Da ist immer von Sternekoch die Rede, weil der Inhaber in auch vielen sternedekorierten Läden gekocht hat. Aber ob die Sterne auf sein Können zurück gehen mag ich nun doch bezweifeln. Von einem Sternekoch hätte ich einfach etwas Raffinesse erwartet und herausragende Geschmackserlebnisse.

Wurst mies, Wetter mies. Jetzt musste das Musical alles rausreißen. Und das tat es auch. Wir hatten im direkt nebenan gelegenen Ramada logiert und konnten so ganz entspannt die paar Meter zur Halle schlendern. Händchenhaltend und mit stolz geschwellten Brüsten waren wir uns der Blicke der anderen Besucher sicher. Nicht zuletzt wegen der Liebsten Ohrschmuck, einer bunt blinkenden LED in einer Silberdrahtkugel. Ich im Partnerlook mit blinkender LED als Ohrstecker. Als wir dann feststellen mussten, dass es heutzutage offenbar nicht mehr angesagt ist, sich zu besonderen Anlässen schick zu stylen, kamen wir uns ein wenig overdressed vor. Ausser uns vielleicht eine handvoll im kleinen Schwarzen. Der Rest in Jeans und Schlabber-T-Shirt. Hätte mich nicht gewundert, Bermudas mit weißbesockten Sandalen zu erblicken.

Beeindruckend dann der Saal mit den „Gleisen“, die tatsächlich durch die Zuschauerränge führen. Wir hatten zwei Spitzenplätze ganz vorne in der Mitte. Die Akteure donnerten rasant auf uns los, um nur wenige Zentimeter davor nach rechts oder links abzubiegen. Grandios auch die Kostüme und die Bühnentechnik. Laserlichteffekte und eine riesige Brücke wurden gekonnt bewegt und gaben der Szene immer neue Perspektiven. Kleiner Wermutstropfen war die Akkustik. Die hätte ich mir in einem extra dafür gebauten Raum glasklar vorgestellt. Aber der Ton war matschig und die Texte kaum zu verstehen. Das habe ich woanders schon besser erlebt. Beim König der Löwen in Hamburg z.B. Aber was solls, auf den Text kommt es eh nicht an. Immer die gleiche Geschichte vom vorgeblichen Looser, der im Kampf gegen seinen coolen Widersacher seine Liebste erobert. Die Musik war auch nicht meine. Rockig stampfend, aber doch irgendwie nervig, wenn auch passend zum Thema Lokomotiven. UNd ganz grausam die deutschen Texte, die irgendwie zur Melodie passen musste. Auch das war in Hamburg besser. Trotzdem: Ein toller Abend. Nicht zuletzt auch durch ein tolles Liebespaar in der ersten Reihe.

Nach der Show meldete sich der Hunger und erinnert an die zweite Currywurstbude. Das Wetter war noch schlechter geworden. Es regnete Bindfäden. Trotzdem kein Parkplatz rund ums Bermudadreieck zu finden. Nach zig Umrundungen dann doch noch ne Lücke. Erstaunlich voll im Kietz. Die Leute quetschten sich unter Sonnenschirmen und versuchten nicht nass zu werden. Mitten drin dann das Bratwursthäuschen. Merkwürdigerweise ziemlich leer, im Gegensatz zu den umliegenden Etablissements. Sollte das ein Hinweis auf die Qualität sein? Schnell weiter zum eigentlich geplanten Spanier? Nein, jetzt waren wir schon mal da und wollten es wissen. Diesmal ging ich es vorsichtiger an: Nur eine Currywurst. Die Liebste wieder mit Pommes und Mayo. Mit tonnenweise Pommes und tonnenweise Mayo. Irgendwo, tief darunter, musste die Wurst sein. Bei mir war das einfacher: es gibt nur ein halbes Brötchen zur Wurst! Ein erster Biss mit Sauce lässt mich hoffen. Die Sauce ist würzig und ausrechend scharf. Schön sämig. Die Wurst dagegen eine große Enttäuschung. Nix besonderes. Kriegste bei tausend anderen ebenso. Und dafür nun nach Bochum gekommen?! Ich wollte es jetzt wissen und orderte noch ne Chiliwurst, in der Hoffnung, es sei auch eine andere Wurst. Denkste, lediglich die Sauce einen Hauch schärfer. Naja, auch da kenne ich bessere Adressen. Weit bessere.

Vielleicht hätten wir Bochum noch ne Chance gegeben, wenn wir genug Zeit gehabt hätten. Leider mussten wir weiter nach Berlin. Vorher hatten wir das überteuerte Hotelfrühstück boykottiert und uns in der Nähe eine Bäckerei mit Frühstückseckchen gesucht. Und da blitzte dann die charmante Seite es Ruhrgebietes durch. Nette Menschen mit lustigen Dialekt, tolles Gebäck und samtig Frikadellen. Bochum, wir kommen wieder! Aber nie wieder Currywurst!

 

Schwarzsehen

… und -Hören kommt teuer zu stehen! Der alte GEZ-Spruch fiel mir gestern wieder ein angesichts der Eintrittspreise für das Magische Theater der Steinauer Marionettenbühne „Die Holzköppe„. Freitags gab es eine zweistündige Vorstellung für 12 Euro (Erwachsene). Samstag und Sonntag dann die Hälfte der Show für 10 Euro. Hallo!? Wenn ich in der Schule aufgepasst habe, müssten dann aber höchstens 6 Euro fällig gewesen sein. Ganz schön happich!

© Die Holzköppe

Na gut, dafür war es eine nette Stunde (plus Pause) im Trockenen. Draussen schüttete es aus Eimern und wir kamen klatschnass direkt vom Gassigehen. Da ist man dann schon froh, irgendwo sitzen zu können, wo es nicht regnet. Die Aufführung in dem schönen, altehrwürdigen Marionettentheater war etwas bemüht. Man sah den Akteuren an (auch wenn man sie direkt nicht sehen konnte), dass sie das nicht ständig machen. So holperte die Geschichte vom Engländer in Paris etwas schulaufführungsmäßig dahin. Highlight vor der Pause war ein Ballett französischer Lebensmittel. Baguette, Brot, Salami und Käse gaben ein hinreißendes Quartett klassischer Chansons, frech vermischt mit Hardrock von AC/DC. In der zweiten Hälfte, die deutlich flotter war, brillierte neben einem Magier und seinen Häschen eine sexy Striptease-Tänzerin aus dem Moulin Rouge. Witzig, wie erotisch es sein kann, wenn man nur die leuchtenden Klamotten wegfliegen sieht und sich den Rest denken muss. Das müssen wir zuhause auch mal ausprobieren …

Frankfurter Botschaft

Die Liebste hatte bei Groupon zugeschlagen und ein 5-Gänge-Menü in der Frankfurter Botschaft für zwei Personen ergattert. Für heute Abend, Dienstag, hatten wir reserviert und machten uns auf in die kleine Großstadt Frankfurt. Es begann weniger prickelnd mit der Suche nach einem Parkplatz. Der aufgeschickte Westhafen mit seinen Glaspalästen und Appartement-Häusern im Wasser beeindruckt mit toller Architektur, enttäuscht den parkwilligen Automobilisten aber auf’s Tiefste. Mir ist schleierhaft, warum man städteplanerisch zwar die Menschen wieder in die City locken will, aber den Autofahrer konsequent vor der Tür lässt. Kein Parkhaus weit und breit und nur Anwohner-Plätze ringsum. Ein verzweifelter Anruf in der Botschaft wurde mit dem Tipp belohnt, im nahen IBIS-Hotel zu parken. Kurz davor fanden wir dann doch noch eine Lücke.
Die Lage der Frankfurter Botschaft ist schon toll. Vor dem neuen Westhafen-Wahrzeichen, dem “Gerippten” Sony-Hochhaus, nah am Main gelegen, hat man von hier einen wunderschönen Blick auf den Fluss. Was besonders am Abend sehr stimmungsvoll sein kann. Die Einrichtung ist stylish – und daher unbequem. Mit winzigen 50 × 50 cm messenden Tischlein werden möglichst viele Umsatz-Plätze geschaffen. Für schlanke Schickimickistangen aus den umliegenden Agenturen sicher ausreichend. Für unsere Schlemmerleiber leider beklemmend eng. Gerade mal 40 cm zum Nachbartischlein lassen mehr oder weniger nette Gespräche der Nachbarn zum Teil der eigenen Konversation werden. Der vorhandene Platz ist schick gedeckt mit Schottgläsern, Stoffserviette und komplettem Besteck. Kommt nun noch ein Teller dazu, fehlt der Platz für die eigenen Hände. Mit Brotkörbchen, Butterschälchen und Brottellerchen, einer Flasche Wasser und einem Teelicht kommt Beklemmung auf. Jetzt bloß keine Speise mehr, sonst müssten wir von den Knien essen!
Der Service ist sehr freundlich, zuvorkommend und frech: Auf meinen Wunsch nach dem reservierten Tisch kommt prompt die Gegenfrage: “Auch mit Stühlen?” Ich mag das. Es lockert die leicht steife, elitäre Athmosphäre und macht Laune. Kaum sitzen wir, läuft ein präzises Service-Uhrwerk ab. Getränke kommen umgehend, kurz danach Brot und (sehr dezent) gesalzene Butter. Ich werde allerdings nie verstehen, warum die Bütterchen immer tiefgefroren an den Tisch kommen müssen. Auch hier atomisiere ich das frische und sehr leckere Vollkornbrot mit den eisharten Butterkugeln.
Wir wählen unter zwei Hauptspeisen logischerweise jeder eine andere und freuen uns somit auf ein Aus-5-mach-6-Gänge-Menü. Es beginnt mit Büffelmozzarella und Olivetti-Tomate an Basilikum-Zitronen-Sorbet dazu Kamilleblüten-Karamell und Senf-Vinaigrette. Der Büffel war mir etwas zu fest, ich mag ihn cremiger, und den Tomaten fehlte das Aroma (warum kaufen die nicht bei ALDI die holländischen Cocktailtomaten, die sind richtig gut!?), aber das Sorbet war der Hammer! Genauso wie das Karamell und die Vinaigrette. Ein durchaus gelungener Einstieg also. Recht zügig danach ging es weiter mit einer Velouté von der Canellini-Bohnen mit Zitronen-Petersilienschaum in einer witzigen Suppenschale, die zwar das Auslecken verhindert aber das Auskratzen bis auf den letzten Tropfen hervorragend ermöglichte. Das Schäumchen ein Träumchen. Kurzes Päuschen und dann ein Rosenblütensorbet mit Chili und Kardamom. Eine überraschende arabische Note nach dem mediterranen Einstieg. Ich bin nicht so der Fan von rosenblütenschwangeren arabischen Desserts, aber hier passte es wunderbar, vorallem mit dem anregenden Chili. Der trockene Riesling von Markus Schneider dazu ein tolles Gespann. Kaum waren diese Aromen verklungen kamen die Hauptspeisen: geräucherte Barbarie Entenbrust mit Apfel-Calvados-Jus, Dörraprikosen, Kartoffelquader und gebratenem Radicchio, sowie Thunfisch in Piment d’Espelette mit Spinatpolenta und confierten Silberzwiebeln. Die Ente wunderbar rauchig und zart, das Jus samtig-fruchtig. Der Fisch auf den Punkt, fest im Biss; die Polenta überraschend (so kannte ich Spinat noch nicht) und die Zwiebelchen reinste Geschmacksperlen. Gottseidank war noch genug Brot übrig um damit die riesigen langen Teller blitzeblank zu putzen. Dazu gab es eine erstaunlichen Rosé, auch von Markus Schneider, dunkel wie ein echter Roter, aber trotz Vollmundigkeit federleicht und herrlich fruchtig. Ich mag die langen Kunstpausen zwischen den Gängen nicht. Angenehm, dass es hier in der Botschaft nur so flutscht, ohne den Eindruck zu erwecken, man wolle uns schnell wieder los werden. Das Dessert kam also verzögerungsfrei: Nuss Nougat-Crème Brulée mit Bergpfeffer und Clementinen-Granité. Eine Brulée auf “Schokopudding” hatte ich auch noch nicht, wunderbar! Dazu das frische Granité, eine Erd- und eine Kapstachelbeere, verbunden mit einem Schokostick passten herrlich dazu.
Alles in allem ein zauberhaftes Menü. Die Portionen übrigens recht großzügig für diese Klasse. Der Preis, regulär 115 Euro ohne Wein wäre mehr als angemessen gewesen. Dazu der aufmerksame, freundliche Service. Was will man mehr! Im Sommer locken auch bequemer aussehendes Gestühl und ein Strand. Jetzt frag ich mich nur noch, warum das Ganze Frankfurter Botschaft heißt. Ein so benanntes Lokal würde ich eher in Berlin oder München verorten. Dazu mit Frankfurter Küche. Aber hier, vor Ort, mediterran, mitten in Frankfurt? Was ist die Botschaft? Egal – wir kommen wieder.

Gone with the wind

Am Samstag gab es eine schöne Aktion von Campact: Mehr als 10.000 Luftballons stiegen neben dem Atomkraftwerk Grundremmingen auf. Und unsere waren dabei! Für jedes Familienmitglied einer.

Mit dieser Aktion machte Campact klar, dass die beiden Siedewasserreaktoren in Gundremmingen unbedingt auch auf die Abschalt-Liste der Regierung gehören und noch dieses Jahr stillgelegt werden müssen. Die Reaktoren ähneln auf frappierende Weise den Katastrophenmeilern von Fukushima: So werden die abgebrannten Brennelemente ebenfalls ungeschützt im „Dachstuhl“ des Reaktors gelagert. Nächsten Samstag wird dann die zweite Ballon-Wolke am AKW Unterweser nördlich von Bremen starten. Wenn die Regierung sich erdreistet, doch einen der acht, für drei Monate stillstehenden Reaktoren wieder ans Netz zu lassen, dann wird es wohl das AKW Unterweser sein.

Auf einer Internet-Karte könnt ihr in den nächsten Tagen verfolgen, an welchen Orten die am letzten und am kommenden Samstag gestarteten Ballons gefunden werden. Damit wird deutlich, wohin eine radioaktive Wolke am jeweiligen Tag getrieben wäre.

YouTube Preview Image

Abschalten!

40 Jahre ist es her, dass ich auf einer Demo war. Gestern war es wieder mal soweit. Die dramatischen Ereignisse in Japan machten es möglich und nötig. Zur Mahnwache für die vielen tausend Erdbebenopfer und Demonstration zur sofortigen Abschaltung der deutschen AKWs war überall in Deutschland aufgerufen worden. Bei uns in der Nähe in Frankfurt oder in Fulda. In Frankfurt waren genug Teilnehmer zu erwarten, in der osthessischen, tiefschwarzen Provinz eher nicht. Also machten wir uns auf nach Fulda. Immerhin 500 Aufrichtige hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt. Für Fulda ein respektables Ergebnis. Sprecher der Oppositionsparteien riefen zum sofortigen Ausstieg auf und kritisierten Merkels Ankündigungen zu einem Memorandum. Nach Japan kann es keine erneute Diskussion über die Sicherheit hiesiger AKWs mehr geben. Es gibt keine Sicherheit. Mit dem vielbeschwichtigte Restrisiko ist auch bei uns zu rechnen. Wir spielen mit der Hölle!

Vampire

Januarsonne! Eine Hassliebe! Mittags steht sie so tief, dass sie unverschämt mit voller Wucht in unsere Höhle dringt. Gnadenlos sticht sie in unser Hirnkastel und verursacht an dem, was da noch drin ist Schmerzen. Wie Vampire verdunkeln wir die Ruhestätte und verkriechen uns in unsere Särge. Dabei hätten wir die Sonne dringend nötig. Unsere Seelen gieren danach, nach all den düsteren Winterstürmen. Ich zähle deshalb die Tage, an denen die Sonne wieder aufwärts steigt und endlich wieder in einem verträglicheren Winkel auf unsere Häupter scheint. Bis dahin verstecken wir uns. Gut bevorratet mit Aspirin. Eingekuschelt ins Bettchen. Decke drüber. Auch schön. Vor allem mit einer solchen Froschkönigin…

Scheiß drauf!

Unser Städtchen ist von lauschigen Wäldern und satten Wiesen umgeben. Ein Hundeparadies. Das sehen natürlich nicht alle so. Die Landwirte z.B. fürchten um die Reinheit ihrer Feldfrüchte. Die Ernte würde mit Hundekot kontaminiert und gefährde Viehes und Menschen Leben. Hmmmh. Musste ich mal drüber nachdenken, die könnten ja recht haben. Jedesmal, wenn ich mit Poco hier lang gehe, denke ich drüber nach. Währenddessen kackt hier eine Hundertschaft ortsansässiger Hunde hin. Auch Rehe und Hasen habe ich hier schon ihre Losung fallen lassen sehen. Füchse und Katzen gehen auf die Jagd und bestimmt auch hier aufs Klo und Vögel werden den Teufel tun und einhalten, solange sie die Wiese des Bauern überqueren. Sie alle haben aber eines gemeinsam: Sie können nicht lesen. Immerhin können die meisten Hunde von sich behaupten, dass sie von Herrchen und Frauchen über die Maßen gepampert werden und ständig beim Tierarzt sind und gegen alles Mögliche geimpft werden. So schrecklich infektiös kann ihre Kacke also nicht sein.

Was passiert eigentlich mit dem Kot? Aus empirischen Untersuchungen an Pocos Hinterlassenschaften weiß ich, dass sich der Regen und unzählige Organismen genüsslich über die Haufen hermachen, die, wenn sie nicht an der Fußsohle eines wegeabgängigen Fußgängers landen, nach ein paar Tagen verschwunden sind. Und neulich haben dann meine Überlegungen über die Richtigkeit der bäuerlichen Forderungen die Nahrung für eine konsequente Richtung bekommen. Ich habe einen riesigen Gülle-Traktor auf der Wiese beobachtet, wie er sie in Schweine-, Rinder- und Hühnerpisse und -Scheiße absaufen ließ. Schade. Ich hätte ihn gerne mit seinem absurden Schild davor fotografiert. Dummerweise hatte ich diesmal keine Kamera dabei. Aber gestern gab Poco seinen Kommentar ab und das konnte ich diesmal dokumentieren:

In der Schneekugel

Die Liebste kam gestern darauf, als wir, ganz eng auf der Couch zusammengekuschelt, den verfressenen Piepmätzen zuschauten, die in Schaaren unsere Vögelwirtschaft heimsuchen: Wir sitzen in einer Glaskugel und irgend jemand schüttelt sie unaufhörlich. Seit Tagen schneit es mit kurzen Unterbrechungen ohne Unterlass. An einen solchen Schneefall kann ich mich noch gut erinnern. Es muss Anfang der Sechziger des letzten Jahrhunderts gewesen sein. Damals hatte ich noch einen soliden deutschen Schlitten, schwer und stabil, zweisitzig und wendig (wenn man ihn richtig mit Speckschwarte einrieb). Wir beide hatten viel Spaß miteinander. Heute ist mein Schlitten aus Italien und der Spaß hält sich in Grenzen. Immerhin hilft er mir, meine Speckschwarten zu minimieren: Geschlagene 30 Minuten habe ich heute morgen geschippt und gekratzt, bis die Bellissima einigermaßen frei war. Der Japaner der liebsten Verlobtesten war zuvor schon mit viel Gefluche aus den Hinterlassenschaften der Schneeräumer ausgebuddelt worden.

Nicht das Wetter hat sich geändert: Wir kommen damit anscheinend nicht mehr klar. Und auch dem kleinen Spanier fällt es zunehmend schwerer. Die Schneehöhe hat seine Schulterhöhe erreicht und so springt er wie ein Känguru aus einem Schneeloch ins nächste. Das ermüdet zum einen und zum anderen fällt die Deponierung seiner Verdauungsprodukte schwer: Gut erzogen, wie er ist, mag er sich ja nur auf saftigen Grase lösen. Nun aber bleibt, was diskret fallen soll, im Tiefschnee stecken. So hoffen wir nun alle drei auf einen vorzeitigen Frühlingseinbruch. Unseren tiefsten, inneren Gefühlen nach kann es gar nicht mehr lange dauern …

schneefall

Außer Konkurrenz

Bartweltmeisterschaften in Gründau-Lieblos. Gerade mal um die Ecke. Da musste ich hin. Nein, nicht um einen Pokal zu holen. Nur gucken. Wie das so läuft. Gut, dass ich mich nicht angemeldet hatte: Null Chance! Die tollsten Kreationen waren einfach zu abgedreht und nicht mehr mit-dicken-Augen-morgens-schnell-fertigmachen-tauglich. Um 16:00 Uhr, pünktlich zum Beginn des Wettbewerbs „Kaiserlicher Backenbart/Freestyle“, betraten die liebste Chauffeurin auf dieser Welt (4 Wochen unfreiwillige Führerscheinpause beim Stammpiloten) und ein gut gestylter Tiicherbart den Saal.

Gerhard Polt hätte seine Freude gehabt. Realsatire pur. Man hätte die Protagonisten auch gegen Rassehühner oder Pudel austauschen können, das Ergebnis wäre gleich geblieben. Fröhliche Vereinsmeierei, gepaart mit Juroren-Begutachtungs-Langweile. Bis alle Teilnehmer pro Kategorie an der schier endlosen Jury-Schar vorbeidefiliert waren, begleitet von einer trockenen Ansage, waren die meisten im Saal schon fast eingenickt. Kann aber auch der Küstennebel daran schuld gewesen sein, der von einem norddeutschen Backenbart großzügig aus seinem Flachmann ausgeschenkt wurde. Kurz vor Einzug des Gründauer Schmiedechors mit anschließender One-Man-Show-Conference flohen wir der schneidenden Luft und den stolzen Familien- und Clubangehörigenseligkeit.

Ich freue mich über meinen Wettbewerbsplatz: Nr. 1 bei meiner lieben Fröschin! Und das seit fast vier Jahren in Folge! Mit oder ohne Bart.

Mehr Fotos hier.

p1000828