Highway to and from hell

Bei der Anfahrt haben wir noch gescherzt: We’re on the highway to hell! AC/DC – wir kommen! Auf der A6, von Frankfurt kommend, war das Ziel der Hockenheimring, auf dem an diesem Samstag, den 16. Mai 2015 eines der wenigen Deutschland Konzerte der Kultband von Downunder stattfinden sollte. 100.000 Karten waren verkauft worden, da machte es schon Sinn möglichst frühzeitig zu kommen. Einlass war um 14 Uhr, wir wollten so zwischen 2 und 3 dort sein. Es lies sich gut an. Die erste Abfahrt zum Ring war zwar schon gesperrt, aber die nächste war noch frei. Mit Stau zwar, aber immerhin ging es zügig weiter. Wir wollten bei McD noch eine Pinkelpause einlegen und verpassten so die Auffahrt zum nahgelegen Parkplatz. Bei der Fahrt vom McD-Parkplatz runter (etwas kompliziert durch ein Industriegebiet) verfranzten wir uns etwas (keinerlei Hinweisschilder auf den nächsten Parkplatz) und landeten irgendwie wieder auf der Autobahn Richtung Mannheim. Nicht weiter tragisch, da die nächste Abfahrt uns direkt zu P5 führte. Von dort ging aber kein Shuttlebus. Und da ich zurzeit einen bösen Hüftschaden habe, wollten wir uns keine lange Laufstrecke zumuten. Also kehrten wir um und fuhren wieder den ersten Parkplatz an, C9, am entgegengesetzten Ende der Stadt. Kein Problem, denn von dort fuhr ein Shuttle zum Ring. Dachten wir zumindest.

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Der knallvolle Bus mit bestens gelauntem Fahrer (er offerierte dauernd Würstchen vom Grill) kurvte durch die halbe Stadt und hielt dann mitten in einem Wohngebiet. Mit den Worten: „Da drübe is der Ring, net weit!“ wurden wir dort rausgeworfen und liefen nun der Herde nach. Verlaufen hätten wir uns nicht können, es ging nämlich an schmucken Reihenhäusern und Villen vorbei, deren Bewohner die Gunst der Stunde nutzten und Getränke verkauften. Offenbar ist dieser Weg nicht das erste Mal zum Laufsteg zum Ring geworden, denn die Verkaufsstände sahen nicht gerade improvisiert aus. Hier verdient sich so mancher einen guten Teil der Hypotheken.

Vorbei ging es am P2, der im übrigen völlig leer war. Hätte man uns hierher gelotst, wäre der Shuttle überflüssig gewesen. Dann ging es über eine Straße auf den Zufahrtsweg zum Ring, unter einer Unterführung durch. Und schon waren wir da. Dachten wir. Die bisher gelaufene Strecke (gut 3 km) war aber erst der Anfang vom Horrormarsch gewesen. Denn nun führte der Weg um die komplette Nord- und Hauptribüne herum, vorbei an Campingplätzen mit lustigen Campern, die ein Füttern-verboten-Schild an den Zaun gepinnt hatten. Das Lachen blieb uns aber im Hals stecken, denn hier an der Haupttribüne war der Marsch noch lange nicht zu Ende. Weiter ging es an den Südtribünen vorbei, bis in Höhe der Südkurve endlich der erste Einlass erreicht war. Es ist eigentlich völlig unverständlich, warum die Shuttlebusse nicht bis dorthin gefahren sind. Denn dort wäre genug Platz gewesen.

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Wer nun dachte, er könne jetzt von hier direkt aufs Gelände, wurde ziemlich enttäuscht. Weiter trabte die Horde um das Gelände herum auf die Nordseite. Beim Anfang der Innentribühnen war dann die zweite Einlasskontrolle. Hier spielten sich wahre Dramen ab. Denn es hieß, alle Flaschen oder sonstigen Proviant abliefern, auf dass der Profit der Veranstalter noch weiter gesteigert würde, denn die Verpflegungskosten drinnen waren exorbitant. Aber davon später … Auch Sitzkissen wurden konfisziert und harmlose Kameras, die eine gewisse Größe überstiegen. Da hier nicht im Vorfeld klar geregelt war, was noch als Handkamera und was als Profikamera durchgeht, wechselten auch schon kleine, teure Micro-Four-Third-Geräte unfreiwillig ihren Besitzer!

Weiter ging es an den Innentribünen vorbei, rund um das Festival-Gelände herum. Der Strom der Fans riss nicht ab. Aber durch die frühe Einlasszeit entzerrten sich die Massen. Es ging entspannt und fröhlich zu. Nicht so bei uns Lendenlahmen. Mehrfach kamen Überlegungen auf umzudrehen. Dabei erging es nicht nur uns so. Bei einem Konzert einer Band, die in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals Furore gemacht hat, war es klar, dass etliche Senioren sich die Show nicht nehmen lassen würden.

Endlich dann der Eingang aufs Gelände. Um Viertel vor 3 waren wir auf dem Parkplatz angekommen. Jetzt war es kurz vor 5! Gute zwei Stunden Wandern um den Ring herum! Das Gelände war in drei Zonen aufgeteilt. Ganz vorne ein Areal, dann dahinter ein größeres und der Raum zwischen Innenraum und Tribünen, wo auch die Catering-Stände zur Abzocke bereitstanden. Es waren Armbändchen ausgegeben worden. Die im vorderen Raum Stehenden bekamen ein weißes, die im zweiten Raum ein blaues. Als wir kamen gab es keine Bändchen mehr. Mit anderen Worten: Für unsere 100 Euro Eintritt hätten wir dem Konzert an den Seiten bei den Bierbuden oder ganz weit hinten an den Tribünen lauschen dürfen! Dabei waren noch genügend Bändchen vorhanden. Diese wurden aber von den „Türstehern“ nur noch an diejenigen abgegeben, die noch kein Bändchen hatten und den Raum vor der Bühne verlassen wollten. Gottseidank gelang es unseren Kids, die schon am Vormittag angereist waren, die Security von meiner lahmen Hüfte zu überzeugen und der Charme meiner Tochter gab den Ausschlag: Wir bekamen weiße Bändchen.

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Nachdem wir uns bis ca. 30 Meter links vor die Bühne vorgearbeitet hatten, wo der Rest der Familie stand, waren wir sanatoriumsreif. Die Bühne war kaum zu sehen. Kleinere Menschen sahen gar nichts. Da blieb nur der Blick auf die Videowände. Das Publikum war gut drauf, die Stimmung allerdings mitunter fragwürdig, da links von uns fröhlich das Horst-Wessel-Lied und anderer rechter Dreck aus vollen (bitte wörtlich nehmen) Kehlen gesungen wurde. Dagegen kam Atemlos-durch-die-Nacht von rechts kaum an. Auch macht es wenig Spaß, wenn Besoffene nicht umfallen können, weil alle so gedrängt stehen. Wundersamerweise kamen durch das Gedränge immer wieder Bierverkäufer durch. Der halbe Liter für 5 Euro! Plus Pfand für den Becher natürlich. Nach den Strapazen der Anreise und bei dem Wetter hast du Durst ohne Ende. Da zahlst du jeden Preis! Aber warum muss es nur Bier sein? Man kann doch auch alkoholfrei Getränke überteuert verkaufen? Und du kalkulierst, wie viel Fassungsvermögen deine Blase hat. Denn deinen Platz willst du nicht wegen Kloganges verlieren. Ein Problem übrigens, das viele meiner Geschlechtsgenossen nicht als solches erkannten und fröhlich überall hin pissten. Mir tut das Personal leid, dass z.B. die vollgepissten Trennwände abbauen muss. Die durchaus zahlreich vorhandenen Dixie-Klos waren übrigens meist voll bis Oberkante Sitzplatz, und darüber hinaus.

Angekündigt war eine D-Jane vom Metallhammer Magazin. Nun ja, zu verstehen war eh nix, zu sehen auch wenig, lassen wir das mal so durchgehen. Dann die Vorgruppe Vintage Trouble (der Name passte wenigsten zu einem Teil des Publikums, er sprach mich irgendwie an). Mieser Sound hat vermutlich den Reiz deren Musikstils zunichte gemacht. Passte irgendwie nicht hierher. Immerhin war der Sänger eine Augenweide, der wie eine Inkarnation von James Brown über die Videowand hüpfte und begeistert umher kreischte. Ich verstehe nicht, warum man nicht regionalen Gruppen die Chance gibt, sich ein bisschen Ruhm und Kohle zu verdienen. Es gibt so tolle Bands, die auch stilistisch besser gepasst hätten. Haben die alten Säcke etwa Angst, dass man ihnen die Show stiehlt?

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Das wäre unbegründet gewesen. Denn was AC/DC da boten war einfach der Hammer. Als die ersten Videobilder von Astronauten über die Videowalls flimmern sind alle Unbillen vergessen. In einem genialen Intro entdecken Astronauten ein meteoritenähnliches Gebilde, das sich exsplosionsartig auf den Weg zur Erde macht, um endlich in einem riesigen Feuerball auf der Bühne einzuschlagen. Die bekannte Bühnendeko spuckt Feuer und Rauch, Blitze zucken und der Rocknroll-Zug setzt sich in Bewegung. Rock or bust, die erste Nummer vom neuesten Album ist der Opener. Und er fetzt rein, wie das nur AC/DC kann. Gelegentlich kann ich ein paar der Heroes auf der Bühne ausmachen. Wäre da nicht die Videowand direkt vor uns, es wäre ein Blind Concert. Aber das ist jetzt auch egal. Nach fast vierzig Jahren bin ich bei einer meiner Lieblingsbands! Der Sound ist Scheiße, fast nur durch Wortfetzen erkenne ich die Songs. Meine Hörgeräte hab ich abgestelt. Den frühen Konzerten von Deep Purple, Rory Gallagher und Ten Years After habe ich sie zu verdanken. Jetzt bräuchte ein Toter sie nicht mehr. Es ist tierisch laut. Viele tragen Ohropax. Ich nicht. Ist eh zu spät dafür. Die Show also der Hammer! Zwei Jahre älter bin ich als Angus Young. Was der da auf der Bühne losmacht, hab ich nicht als 26-jähriger geschafft! Unglaublich! Die langen Pausen zwischen den Titeln lassen aber darauf schließen, dass hier hochkonzentrierter Sauerstoff oder sonstige Mittelchen zwischendrin genommen werden. Diese Pausen trüben den Ablauf auch ein bisschen, die Spontaneität geht kaputt. Auch stört uns, dass da kaum Interaktion mit dem Publikum stattfindet. Keine Begrüßung, und wenn sie noch so enthusiastisch geheuchelt wäre. Schade. Sie liefern ab, was erwartet wird. Aber eben auch nicht mehr. Zwei Stunden mit genau kalkulierter Zugabe dauert das Feuerwerk ihrer Hits und endet auch mit einem. Ein grandioser Abschluss eines tollen Konzerts. Und dann, um 22:45 Uhr beginnt die Hölle 2.0!

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Wo am Anfang 100.00 Menschen stundenlang Zeit haben zu kommen, wollen nun 100.00 Menschen auf einmal nach Hause! Jetzt hätte man vielleicht erwarten können, dass man die Fluchtwege aufmacht oder sonstwie mehrere Ausgänge anbietet. Aber nein: So wie rein, so auch raus! Ein einziger Ausgang! Ich will mir nicht vorstellen, was passiert, wenn jetzt eine Panik ausbricht! Das Gedränge ist schlimm! Wer jetzt den genialen Einfall hat, zu warten, bis sich die Mehrheit verzogen hat und noch ein Bierchen zischen will, hat schlechte Karten: die meisten Cateringstände sind geschlossen. Irgendwie hat das den Charme eines Rauswurfs.

Mir wird klar, dass ich den ganzen Rückweg um das Gelände herum nicht mehr schaffen werde. Die Hüfte protestiert lautstark. Wir fragen einen Security-Typen nach der Möglichkeit, ein Taxi zu bekommen. Der Mann ist nett (wie übrigens alle Securityleute), hilfreich und versucht, uns über Funk eine Auskunft von seinem Leitstand einzuholen. Das klappt aber nicht. Er bietet uns an, bei den Tribünen rauszugehen. Dort hat mittlerweile eine vernünftige Security-Mitarbeiterin einen Zaun geöffnet. Hier kann man auf die Tribüne rauf und auf der anderen Seite wieder runter. So stehen wir dann vor der Südtribüne C2 und hoffen dort, ein Taxi zu bekommen. Schnell wird klar: Das hoffen Tausende andere auch. Und es gibt auch gar keine Möglichkeit für Taxen, an das Gelände heran zu kommen. Alle Straßen sind zur Einbahn umgewidmet worden und führen vom Ring weg. Also zum nächsten Shuttle laufen. Aber wo ist der? Wieder um das ganze Gelände herum, durch die Wohnsiedlung durch? Never! Wir beschließen, zum nahegelegenen P6 zu gelangen, um dort unser Taxiglück zu versuchen. Ein guter Entschluss. Denn wie wir später hören, gibt es bei der Unterführung panisches Gedränge. Loveparade lässt grüßen! Gelernt haben die Verantwortlichen offenbar gar nichts.

Auf dem Weg begegnen uns Polizisten, die den Verkehr überwachen (aber nicht regeln!). Mein Sohn hatte Anfang des Jahres einen schweren Beinbruch und das frisch verheilte Bein protestiert nun auch gegen den Gewaltmarsch. Zu allem Überfluss plagte ihn schon den ganzen Tag ein nervöser Darm. Also fragt mein Sohn verzweifelt die Polizisten nach einer Taximöglichkeit. Die winken ab, erkennen aber die Situation und wollen uns ein Krankenfahrzeug organisieren. Da kommt ein Feuerwehrmannschaftswagen der örtlichen freiwilligen Feuerwehr vorbei. Kurzerhand halten die Polizisten den Wagen an und bitten die Kollegen, uns zum nächsten Parkplatz mitzunehmen. Erfreut sind die nicht gerade, sie haben Schichtende und wollen auch nur ins Bett, aber sie nehmen uns mit! Was für ein Glück! Wir fahren Meter für Meter durch die total blockierte Stadt. Ein einziger Stau! Und wir sehen von unseren bequemen Plätzen die armen Konzertbesucher völlig fertig durch die Nacht taumeln, ihren Autos entgegen. In der Nähe unseres Parkplatzes (wie wir glauben) lässt uns die Feuerwehr aussteigen. Ich kann keine drei Schritte mehr gehen und erreiche mit letzter Kraft einen total überfüllten McD, wo die Schlange aus dem Klo bis auf die Straße reicht, eben so wie die Scheiße aus den überforderten Kloschüsseln. Übrigens sind die Mitarbeiter/innen bei McD dem Chaos absolut gewachsen. Freundlich, höflich, geduldig bedienen sie sich einen Wolf. Chapeau! Das ist richtig Klasse!

Die Liebste und mein Sohn wollen die paar Schritte zum Parkplatz laufen. Das ist so gegen halb eins. Nach einer halben Stunde melden sie sich. Der Parkplatz war noch drei Kilometer entfernt gewesen. Nun sind sie dort, aber alles ist verstopft. Die einzige Ausfahrt ist komplett überlastet und die Einfahrt, zu der ja nun niemand mehr reinkommt, gesperrt. Ich gedulde mich und ordere den dritten BigMac. Dann kommen viertelstündlich die Durchhalteparolen vom Parkplatz. Es geht keinen Meter voran. Die Ärmsten. Ich sitze hier beim vierten BigMac und sie haben nicht mal was zu trinken im Auto. Irgendwann gegen drei Uhr morgens macht die Polizei die Einfahrt auf und sie kommen mich endlich abholen. Um 3:15 sind wir auf dem Heimweg, um kurz vor 5 im Bett! Meine Tochter nebst Anhang waren übrigens per Bahn und Flixbus von Gießen aus via Frankfurt und Mannheim nach Hockenheim angereist. Um den letzten Zug nach Mannheim zu bekommen mussten sie den ganzen Weg zurück rennen. Der Zug war überfüllt, es gab tumultartige, hässliche Szenen, verspätete Abfahrt und dadurch gefährdeter Anschluss an den Bus. Fazit: Ein total geiles Konzert – aber nie, nie, niemals wieder! Jedenfalls nicht auf dem Hockenheimring und ganz sicher nicht mehr auf Konzerten des Veranstalters United Promoters!

Kalter Fisch, heiß genossen

Es gab ein bisschen was zu feiern: Das Zweitkind hatte seine Thesis mit Bravour gemeistert, einen guten Job bekommen und die Probezeit überstanden. Also hatte ich die beiden Hauptverantwortlichen für diesen Erfolg, die frischgebackene Marketing Managerin und ihre Mama, in Personalunion auch noch meine Liebste, zu einem netten Dinner in die hessische Hauptstadt eingeladen. Ein ganz besonderes Lokal wollte ausprobiert werden. Es gab aber eine Hürde: Was tun, wenn mann gerne Sushi ist, die Liebste aber nicht? Ganz einfach: In’s Okinii gehen! Ich hatte die Wiesbadener Filiale dieser Mini-Sushikette aus zwei Gründen ausgewählt: Zum einen lockte mich alten Nerd die innovative Bestellmöglichkeit per iPad, zum anderen die Auswahl an japanischen Gerichten. Denn es gibt hier mehr als die üblichen kalten Reisrollen mit rohen Fisch. Das mag die Liebste nämlich nicht so sehr. Im Okinii hatte sie die Gelegenheit, auch andere Speisen zu probieren.

Blöderweiise hatten wir uns den gefühlt heißesten Tag dieses Sommers ausgesucht. Es war ziemlich voll und die Klimaanalage (falls überhaupt vorhanden) hatte den Geist aufgegeben. Das war dann aber auch der einzige Wermutstropfen an diesem Abend. Ansonsten war alles stimmig: Freundliche Begrüßung und Platzanweisung, überhaupt sehr aufmerksamer, freundlicher, flotter Service! Die Einrichtung ein gelungener Mix aus modernem Japanstil und altem Wiesbadener Stuck. Schön aufgeteilt, die Sitzgruppen genügend separiert vom Nachbartisch und mit sehr bequemem Gestühl ausgestattet. Alles ist sehr sauber (sogar die analogen Speisekarten, die es auch noch gibt, werden abgewischt). Und natürlich meine attraktive Begleitung nicht zu vergessen, deren Augen schon erwartungsfroh glänzten. Oder war das die Hitze? Oder gar ihr Gegenüber?

Eine kurze, aber verständliche Einweisung in die Bestellung mit dem iPad ging etwas in der zu lauten Musik unter. Ein Manko, das leider in vielen Restaurants mittlerweile anzutreffen ist. Musik ist ja auch Geschmackssache, aber diese passte auch irgendwie vom Stil nicht hier her.

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Die Bestellung ist einfach: Pro Person können auf dem iPad in einem Bestelldurchgang 5 Gerichte bestellt werden, ganz einfach, indem man auf die abgebildeten Speisen klickt. Die aktuelle Gesamtsumme der Bestellung wird angezeigt, man kann natürlich korrigieren, und nach dem Abschicken wird die Zeit bis zum nächsten möglichen Bestelldurchgang angezeigt. Man kann jederzeit in der Bestellhistorie nachschauen, was man bestellt hat. Nachteil ist, dass man nicht mehr weiß, wer was bestellt hat, wenn die Speisen kommen. Man muss dann noch mal in der Karte nachschauen. Manche Gerichte kommen auch etwas später, was ebenso das Durcheinander fördert. Bei uns dreien gab es schon Verwirrung, was aber auch wiederum der Unterhaltung förderlich sein kann ;-). 2,5 Stunden lang darf man auf diese Weise bestellen, was mehr als ausreichend ist. Wir hatten mit Mühe drei Durchgänge, sprich 45 Einzelgerichte in 1,5 Stunden. Danach ging beim besten Willen nichts mehr rein. Was schade war, denn die Qualität war ausgezeichnet und die Aromen in einer Fülle, wie ich sie noch in keinem Sushi-Laden genießen durfte.

Danach haben wir noch die Prachtbauten im Wiesbadener alten Villenviertel bestaunt. Vom Auto aus, bei offenem Fenster und laufender Klimaanlage. Irgendwie mussten die frischen Fische, die in uns schwappten ja gekühlt werden.

60 tut gar nicht weh!

Also sechzig bin ich ja schon länger. Genauer im sechzigsten Lebensjahr. Und das war auszuhalten. Mit Höhen und Tiefen, wie jedes Jahr. Warum also hab ich mir im Angesicht des sechzigsten Geburtstags so in die Hose gemacht?! Vielleicht ist Männern das so angeboren. Sie neigen ja eh dazu, alles etwas zu dramatisieren. Was solls: es hat gar nicht weh getan und war doch sehr schön.

Wenn alle Kinder (und Ahmad) da sind ist es immer schön. Schön kuschelig in der Dreizimmerwohnung. Da gibt es kaum Fluchtraum und trotzdem geht man sich nicht auf den Senkel. Es begann schon am Donnerstag in der Nacht, da die Liebste nicht an sich halten konnte und mir zu Mitternacht ihr Geschenk präsentierte. Schon länger von geträumt und als ferner Luxus verworfen: Handgemachte Schuhe! Wow! Jetzt heißt es Abschied nehmen von meinen geliebten LandsEnd Tretern, zumindest zu den festlichen Anlässen. Vorher gilt es allerdings, ein paar Vorbereitungen zu treffen. Mit einer Art Gips-Socke werden die Füße abgeformt und dem Schuster zugeschickt. Das hörte sich kompliziert an und die Liebste hoffte auf Hilfe durch meine Kids.

Aber erst mal sollte ich der Welt schönste Geburtstagstorte bekommen. Ich war schnell mit dem Hund Gassi und Brötchen holen, als die Liebste mich telefonisch bat, mich zu melden, wenn ich auf den Parkplatz fuhr. Das tat ich dann auch wie geheißen. Worauf die Liebste hektisch wurde und mich bat, noch 5 Minuten zu warten. Also legte ich mich im Auto zurück, hörte ein bisschen Hörbuch, bis das Telefon klingelte: „Ja, du stehst ja gar nicht vor der Tür! Komm sofort hoch und spute dich!“. Ich also meine sechziger Knochen in den zweiten Stock gewuchtet, wo mich die Liebste völlig verzweifelt und hektisch erwartete. Aus dem abgedunkelten Wohnzimmer drangen malerische Rauchwölkchen und es roch verkokelt. Auf dem Geburtstags-Frühstückstisch stand ein Pflaumenkuchen in hellen Flammen! Sechzig Kerzen waren größtenteils schon bis auf die Streusel runter- und in den Kuchen eingebrannt. Erstaunlich, wie gut Pflaumenkuchen brennen kann. Ich hab dann souverän Luft geholt und alle Flammen mit einem Mal ausgeblasen. Merke: Wer 60 Kerzen anzünden will. sollte die Brenndauer beachten. Spätestens nachdem die 20. Kerze endlich rennt, sind dieversten schon wieder runtergebrannt. Also Finger weg von solch kindischen Geburtstagsspäßchen bei älteren Menschen! Anschließend hatte ich dann viel Spaß beim Sezieren des Kuchens. 60 Wachsklumpen wollten aus dem Teig gepult werden. Letztendlich klappte die OP und wir konnten den unvergleichlichen Pflaumengeschmack genießen, mit einem Hauch Parafin. Nicht schlecht.

 Meine Kids kamen dann am Freitag Nachmittag und präsentierten erstmal mit großen Bohei ihr Geschenk. Das Zimmer wurde verdunkelt und auf allen Vieren schoben sie mit viel Gebrumm etwas Beleuchtetes in den Raum. Als das Licht wieder an ging, präsentierte sich mir ein dreieckiges, dreirädriges Gestell aus japanischen Essstäbchen mit riesigem Scheinwerfer vorne, einer Batterie hinten und einem Foto von mir in Rocker-Montur. Wie immer bei meinen Kids ein geniales Symbol für ein Geschenk. Mir schwante gleich etwas! Schon immer wollte ich mal ein Trike fahren. Und da ich für mein Leben gerne Sushi esse, haben die Beiden mich (und die Liebste) zu einer Trike-Rundfahrt durch den Vogelsberg eingeladen, mit anschließendem Sushiessen in Gießens bester Sushi-Bar. Das wird ein Spaß! Ich kann es kaum erwarten. Passt auch gut zur Midlifecrises eines Sechzigjährigen. Jetzt muss ich die Liebste nur noch dazu kriegen im knappen Ledercorselette hinter mir Platz zu nehmen. Und dann rocken wir den Vogelsberg!

Amira war noch unterwegs und so beschlossen wir, ohne sie in ein Lokal zu fahren und uns dort mit ihr zu treffen. Eigentlich wollte ich zu einem Mongolen. Aber die Liebste hatte so lange insistiert, bis ich uns bei einem hessischen Lokal angemeldet hatte, dem Kaufmanns in Gelnhausen-Meerholz. Mir war nach was Exotischem, nicht nach biederer hessischer Küche, aber es klang nicht so schlecht. Und mit sechzig kann man ja mal was wagen. Und die Wahl war erstklassig. Die Stimmung war ausgelassen, dem Anlass mehr als angemessen und hoch zufrieden machten wir uns auf den Heimweg, um dort noch gebührend weiter zu feiern. Denn da gab es ja noch Amiras und Thomas Geschenk: Ein wunderschönes Schlabberlätzchen für kleckernde Hessen, samt ein paar Fläschchen Rabenwein. Da kann jetzt ruhig ein leichter Alterstremor zuschlagen: Ich kleckere nicht mehr – ich dekoriere!

Samstag hat Masja mir dann meine Füße abgeformt. Selten haben wir so gelacht. Ich habe das gefilmt und ich denke, das muss auf Youtube! Zum Abschluss des Geburtstagsfestes wollte ich noch ein kleines Highlight draufsetzen. In den Achziger Jahren hatte ein Film Furore gemacht, den ich so gerne mochte und schon etliche Male gesehen hatte. La cage aux folles – ein Käfig voller Narren gibt es nun auch im Frankfurter Volkstheater in hessischer Mundart. Diese turbulente, quietschbunte, verrückte Komödie um eine schwules Pärchen aus einem Kabarettbesitzer und dessen geliebtem Showstar, deren Sohn eine Tochter aus erzkonservativer Familie heiraten will, wäre bestimmt ein Knaller. Und so war es dann auch. Anfangs waren wir alle ein bisschen verstört. Ich, weil es auf der Bühne doch etwas steifer rüberkommt als im Film, die Kids weil sie das erste Mal in einem solchen Theaterstück waren. Dann aber erlagen wir dem Charme des Hauptdarstellers Thomas Bäppler-Wolf, der die Tunte Albert hinreißend komisch und anrührend spielt, und seiner spielfreudigen Truppe. Irgendwie passte auch das angeranzte Ambiente des Theaters dazu, das leider in diesem Jahr schließen muss.

Ein gelungener Abend fand einen traditionellen Abschluss bei McDonalds. Schließlich sind wir schon immer mit den Kids nach einem Kinobesuch dort noch eingekehrt. Ein paar Mal im Jahr muss das einfach sein. Kontrastprogramm zu Kaufmanns. Damit wir nicht verlernen, was richtig gut ist. Nach langer Nacht haben sich alle dann am Sonntag Morgen tatsächlich reichlich früh aus dem Bett geschält, um auf dem Flohmarkt noch das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Anschließend eine zünftige Weißwurschtbrotzeit (wenn auch erst um 13 Uhr). Ein rundum schönes Geburtstagswochenende! Jetzt will ich doch 70 werden. Und mit euch allen eine Steigerung zum 60. erfahren. Ganz schön unverschämt, gell. Ja, so bin ich. Kriege nie genug. Von euch sowieso nicht. Danke, Ihr Lieben!!!

Insektenkochen

Was blieb mir anderes übrig? Ich hatte den Mund vollgenommen angesichts der Dschungelcamp-Ekelproben und meine Kids hatten mir prompt einen Insekten-Kochkurs geschenkt. Also ging es im Schneetreiben auf nach Oberhausen. Mit 9 anderen, mehr oder weniger glücklich Beschenkten und unter Anleitung von Survival-Experte Dennis Besseler machten wir uns an die Arbeit.
Das Ergebnis war ein interessantes Menü, von dem keiner wirklich geglaubt hatte, dass es auch schmecken würde. Und wie es geschmeckt hat! Und ein herrlicher (sicher auch ein bisschen dekadenter) Spaß! Und endlich mal mit den Kids zusammen gekocht. Danke noch mal dafür!
Wer es auch mal erleben will: Bei http://www.insektenlutscher.de/ gibt’s den Kurs und manch andere „Leckerei“!

Geocaching zu zweieinhalb

Nasskalter Sonntag. Der Hund muss raus. Nicht gerade inspirierend. Gut, dass ich ein neues Hobby (oder zumindest könnte es eines werden) gefunden habe: Geocaching. Schnitzeljagd 2.0 sozusagen. Mit Grips und iPhone nach versteckten „Schätzen“ suchen. Das macht Spaß. Besonders wenn die Liebste sich auch ein bisschen erwärmen kann und wir zu zweieinhalb losziehen. Erst ausführlich Gassi mit dem wilden Spanier (der mittlerweile ganz brav ohne Leine mit uns läuft), dann Schatzsuche mitten in der City von BSS. Außer den Koordinaten hatten wir einen Hinweis: drei mal drei. Die Liebste (und Klügere) konnte ihn umsetzen und machte mich auf eine Baumreihe von drei mal drei jungen Erlen aufmerksam. Der alte Pfadfinder in mir entdeckte dann den gut als Lüftungsschlitz getarnten „Cache“, die Schatzkiste. Was wohl andere Kurstadtbesucher gedacht haben mögen, als sie den alten Knacker ein Plastikdöschen ausbuddeln sahen? Wie er was auf einen darin befindlichen Zettel kritzelte und das Ding dann wieder in dem Lüftungsschlitz verbarg. Drogendealer oder Spion oder gar beides! Anschließend lud mich die liebste Klügste noch in ein Kurcafé ein:

Gut versteckt rechts neben dem Eingang der Spassart-Therme (oder von innen, von der Wandelhalle aus) findet man dieses winzige, schnuckelige Café. Schon der Anblick ist eine Augenweide. Neben leckeren Kuchen, Tee-und Kaffeespezialitäten gibt es tausend kleine Modeaccessoires und nette Mitbringsel zu besichtigen und zu kaufen. Man sitzt innen wunderbar bequem in Ledersesseln und außen auf nicht minder bequemen Korbstühlen an kleinen Tischchen. Der Service ist flott und freundlich, die Preise gar nicht kurstadtneppisch. Unser Highlight heute waren die Karamelwaffeln mit Eis und Roter Grütze. Schon so lecker anzuschauen, dass man sich gar nicht mehr zu probieren wagt, was schade wäre. Denn die knusprige, frische Waffel mit den vielen kleinen Obststückchen drauf, die große Eiskugel und die verführerische Grütze sind ein süßer Traum. Dazu hatte ich eine Pepperoni-Chili-Chocolade. Herrlich schokoladig mit knackiger Schärfe im Abgang. Nach dem kalten Aprilspaziergang genau das Richtige.
(Mein Beitrag zu Tee und Kaffee Bistro – Ich bin kritzlibaer – auf Qype)


Schwein gehabt!

Schweine begleiten unser Leben. Nicht nur kulinarisch. Schwein haben wir schon gehabt, als wir uns kennen und lieben lernten. Schwein haben wir mit unseren Ferkeln gehabt, die alle wohl geraten und rosig sind. Und unser Hundeschwein ersetzt das Minischwein, das eigentlich durch unseren Stall wuseln sollte. Die Liebste wünscht sich nichts sehnlicher als ein kleines Schweinchen. Nun ist es doch ein etwas größeres geworden. Vier Tage vor ihrem Geburtstag habe ich diese alte Schaufensterdekoration eines Metzgers im Internet gefunden. Siggi ist ein Lampenschwein. Jedenfalls hat er unten ein Loch zur Aufnahme einer kleinen Lampe. Nun bewacht er den Eingang zu unserer Küche und haut jedem Veganer den Kochlöffel um die Ohren. Bei so viel Schwein war die Geburtstagsfeier in kleinem Kreis natürlich gelungen. Jetzt freuen wir uns auf weitere gemeinsame Schweinereien, z.B. bei einem Besuch des Musicals Starlight Express. In diesem Sinne:

Irmgard 1920-2012

Viel ist passiert seit dem letzten Eintrag. Wunderschönes (unser erster richtiger, gemeinsamer Urlaub) und Schlimmes (mein Herzinfarkt). Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle verdichtete sich zum Jahresende und ließ keine Zeit für Nebensächlichkeiten. Ich hatte geglaubt, der Urlaub hätte mich total entspannt. Völlig harmonisch hatten wir zwei Verliebten die Tage genossen. Dazu ein lange erhoffter Immobilien-Verkauf, der ebenso zur Entspannung zu trug. Aber der Mensch tracht und Gott lacht (wie ein jüdisches Sprichwort sagt). Es hat mich umgehauen. Von Hundert auf fast Null in ein paar Minuten.

Meiner Mutter hatten wir es nicht erzählt. Angelogen hab ich sie ein bisschen: Ich läge im Krankenhaus wegen meines lädierten Knies (was ja auch z.T. zutraf). Sie war in den letzten Jahren immer dementer geworden und manche Neuigkeiten haben sie verwirrt und verängstigt. Da fanden wir es besser, ihr den Infarkt zu verschweigen. Der Reha-Aufenthalt verhinderte ein gemeinsames Weihnachtsfest, auf dass sie sich so gefreut hatte. Nun freute sie sich auf ihren 92. Geburtstag. Und bekam kurz vorher ebenso einen Infarkt. Ich habe sie noch im Krankenhaus besucht, Sie war geschwächt, das Herz nicht mehr kraftvoll genug. Und doch saß sie in ihrem Bett und war guter Dinge. Zwar begrüßte sie uns mit einem bestimmten „Mit mir geht’s zuende!“. Aber das beunruhigte sie nicht. Im Gegenteil, sie schien bereit. Sie erzählte von früher und betonte immer wieder, was für ein glückliches Leben sie hatte. Sie war fröhlich und verabschiedete uns mit einem Lachen. Vier Tage darauf ist sie ganz friedlich eingeschlafen.

Trauerfeier am 3. Februar 2012

Sie hatte sich ihr Leben aussuchen können, hatte den richtigen Mann gefunden und sich ihm, wie das damals üblich war, untergeordnet. War für ihre Familie da, versorgte uns liebevoll, kochte genial, war gesellig und fröhlich, neugierig und weltoffen, tolerant und offen. Sie war eine moderne Oma und manchmal Mutterersatz für meine halbwaisen Kids. Bis ins hohe Alter konnte man sich über alles mit ihr unterhalten. Und sie war eine Dame, modisch und geschmackvoll gekleidet. Eine Mutter, wie man sie sich nur wünschen kann. Nun müssen wir ohne sie auskommen. Sie fehlt uns und doch sind wir froh, dass sie so leicht von dieser Erde gehen konnte. Ich wünschte, wir könnten einmal so glücklich gehen.

Ritter der Tafelrunde

Warum arten unsere Verwandschaftsbesuche eigentlich immer in wahre Tafelschlachten aus? Irgend etwas ritterliches muss in uns stecken, dass wir uns meist um eine reich gedeckte Tafel scharen und reinhauen, als würde unsere Burg demnächst sieben entbehrungsreiche Jahre belagert werden. So war es auch vergangenes Wochenende in Harburg bei Schwiegermama.

Sie schwärmt genau wie wir von fetten Koteletts und so wollten wir ihr endlich mal diese fantastischen Stücke vom Schwäbisch-Halleschen Landschwein mitbringen. Wie oft hatten wir ihr den Mund gewässert mit unseren detailreichen Beschreibungen des breitesten Fettrandes, den sie sich nur vorstellen kann. Aber ausgerechnet die bestellten Koteletts waren diesmal nur sehr dürftig mit diesem Rand der Begierde bestückt. Sommersäue sind nicht so fett wie die im Winter, wo sie den Speck gut gebrauchen können.

Trotzdem waren die Koteletts eine Offenbarung: Groß wie Wagenräder, zart wie Marzipan und saftig wie Pfirsiche. Allein die Größe scheint den Eingeborenen im Ried fantastisch vorzukommen: Ein Freund von Amira, der zu Gast war, bemerkte trocken, so etwas kenne er nur von den Simpsons. Amira dagegen konnte sich gar nicht mehr wegen der glasierten Möhrchen einkriegen, die sie mit Stielansatz verputzte. Nur mein Kartoffel-Erbsenpürree mit Speckzwiebeln kam bei den spätzlegewöhnten Schwaben weniger gut an. Als Abschluss dann eine fluffige bayerische Creme mit fruchtiger Sauce von Amira gezaubert.

Abends Brückenfest in Harburg vor der tollen barocken Kulisse der Altstadt. Leider im Regen. Aber was solls: Innerlich wie äußerlich stark eingenässt und in Begleitung von jungem Gemüse lässt sichs besonders gut feiern.

Am Sonntag dann das typische Hausrezept der Familie: Soßknöpfle. Spätzle in Bratensoße mit Schweinebraten, Kartoffel-Gurkensalat und Bratensoße (diese reichlich, damit der staubtrockene Braten besser rutscht). Ein Gericht, mit dem ich so meine Probleme habe. Denn üblicherweise werden alle Komponenten auf dem Teller so zusammengemanscht, dass man meinen könnte, es sei schon einmal verdaut worden. Diesmal gab es zum Braten jedoch noch geschmorten Schweinebauch, eine köstliche Alternative, die mir das Essen rettete, zumal ich alles preussisch korrekt getrennt auf dem Teller platzierte.

Trotz vollen Bauches (und leider mit ihm) dann auf die Harburg, eine der besterhaltensten Burgen Deutschlands und endlich mal eine Führung mitgemacht. Die Führerin war absolute Spitze und hat uns das Leben in einer Burg so anschaulich vermittelt, dass ich anschließend froh war, unsere Tafelrunden doch besser in neuzeitlichem Luxus genießen zu dürfen. An der Seite des bezauberndsten Burgfräuleins, einer geborenen von und zu Froschkönigin.

 

Goisern geil in Gießen

Mit Masja beim Goiserer gewesen, droben, auf’m Schiffenberg. Gottseidank Karten in der zweiten Reihe gehabt. Ein paar Reihen weiter hinter waren Sicht und vor allem der Sound einfach ungenügend. So saßen die Schläge der Drums und der druckvolle Baß wo sie hingehören: Tief unten im Unterleib. Einfach geile Mukke! Blöd, dass es bestuhlt war. Es zuckte in allen Beinen zum Mittanzen und die Saukälte hätte es auch vertrieben. Hubert von Goisern machte sich lustig über das fröstelnde Publikum, rieb sich aber selber die klammen Finger. Immerhin konnte er sich warmhüpfen und tat das auch ausgiebig.

Ein bisschen war es auch eine kleine Geburtstagsfeier für Brigitte, der ein Konzert mit Goisern nicht mehr vergönnt war, und die an diesen Samstag 56 Jahre alt geworden wäre. Bestimmt hat sie da oben mitgesungen: „Heast es net, wia die Zeit vergeht …“

Endstation Pasta

„Der Mensch fliegt auf den Mond, aber einen gescheiten Dosenöffner hat er noch nicht erfunden.“

Arthur werkelt in seiner Küche rum und philosophiert über das Leben und die Küche. „Endstation Pasta“ heißt das Stück für eine Person. Und die spielt Markus Karger vom Theater ohne doppelten Boden (TheodoBo). Die Rolle ist ihm auf seinen gewaltigen Leib geschrieben: Arthur ist ein introvertierter, gescheiterter Haarwasserverkäufer. Er wartet auf seine Freundin und kocht ihr Spaghetti Bolognese. Zunächst doziert er über die korrekte Zubereitung und bereitet das Gericht tatsächlich vor den Zuschauern zu. Er weiß viel über die richtigen Zutaten zu berichten. Was er halt so von seiner Mutter und den Fernsehköchen gelernt hat. Dabei kommt er ins Schwärmen: Er erzählt von seiner Karriere im Haarwassergeschäft, triftet aber bald ab in Träumereien von Verkaufserfolgen und Heldentaten, in denen er der Damenwelt imponiert. Er verwandelt sich in einen eloquenten Franzosen, charmiert mit einer jungen Frau und rettet schließlich eine Angebetete aus einem abstürzenden Flugzeug über dem Dschungel, reitet mit ihr auf Kamelen durch Timbuktu und verjagt dort erfolgreich mit giftigen Pfeilen bewaffnete Einwohner in ihr Tipi. Der schüchterne Koch Arthur verwandelt sich in einem fort zu allen möglichen Figuren. Äußerst agil tobt er über die Bühne und tänzelt zu eigenen Gesängen wie eine Elfe. Der Höhepunkt ist für mich die Auferstehung von Marlon Brando als „Der Pate“, der den verwirrten Haarwasserverkäufer zu Drogengeschäften verführt und ihn mit seiner 14-jährigen Tochter verkuppeln will.

Markus Karger ist Arthur © TheodoBo

Das Stück von Jean-Michel Räber unter der Regie von Monika Fingerhut ist eine bunte Revue durch Kochtopf, Film und Leben. Und Markus Karger scheint der Einzige zu sein, der das spielen kann. Toll auch die Kulturwerkstatt Wölfersheim, in deren wunderbarem, kleinen Theater das aufgeführt wurde. Masja hatte meiner Liebsten (und somit mir, danke Töchterlein!) den Abend (inkl. italienischem Essen) zum Geburtstag geschenkt und voll in’s Schwarze getroffen. Die Liebste bekannte freimütig, noch nie im Leben Fan von irgendwas gewesen zu sein. Bis auf den heutigen Abend. Nun ist sie Markus Karger verfallen. Und ich bin wahrscheinlich nur noch 2. Besetzung. Ich werde ihr einen Starschnitt von Markus ins Schlafzimmer hängen.

Markus Karger kocht und schwadroniert