Aufwiedersehen, Chappo!

40 Jahre musste ich warten. Diese Stimme hat mich schon als Teenager fasziniert. Purer Rock’n Roll, Gänsehaut wann immer ich ihn hörte. Immer wieder mal hätte ich die Gelegenheit gehabt. Öfter war er im Lande. Aber immer kam irgendwas dazwischen oder das Konzert war ausverkauft. Nun war es endlich soweit: Roger Chapman – Chappo – bei uns umme Ecke! Im Eulenspiegel in Steinau-Seidenroth. Ein winziges Dörfchen. Aber mit einer tollen Musikkneipe, wie sie so manche Großstadt nicht zu bieten hat. Fünf Jahre Eulenspiegel wollten die Betreiber nun mit ihren Fans feiern und hatten sich einen der ganz Großen der Rockmusik eingeladen. Klar. dass ich sofort für die Liebste und mich Tickets reservierte.

Im Eulenspiegel kann man saulecker essen. So war es klar, dass wir frühzeitig kommen und uns erst mal stärken würden. Aber alle anderen Fans dachten wohl ebenso und so war die Kneippe schon um halbacht knalle voll. Immerhin konnten wir schon mal in den Saal und uns die besten Plätze sichern. Die Liebste sogar mit Sitzplätzchen direkt neben den Boxen seitlich der Bühne. Ich sicherte mir den Platz direkt vor Chappos Mikro und verteidigte ihn gut eineinhalb Stunden lang. An diesem Abend hatte ich Rücken. Aber sowas von Rücken!. Und der beschwerte sich heftig gegen diese Beine-in-den-Bauch-Steherei. Das ließ sich nur mit leckerem Schwarzbier und einer Brezel in der Hand ertragen.

Inzwischen bastelte ein Roady an den Aufbauten rum, verteilte die Setlist, stapelweise Handtücher und hektoliterweise Getränke. Unter Roady stelle ich mir immer einen jungen, gut gebauten, hippen Typen vor. Dieser hier war im Rentenalter. Mit Bauch und weißen, schütteren Haaren. Ein Blick aufs Publikum bestätigte meine Befürchtungen: Es würde ein Abend für die reifere Jugend werden. Nun ist man selber ja in Ehren ergraut und kein Adonis mehr. Aber man verdrängt es doch so lange, bis solche Veranstaltungen einem die Augen öffnen. Die Herren fast alle mit Bauch und wenig Haupthaar, die Damen allerdings durchweg attraktiv, trotz (oder gerade wegen der Falten).

Pünktlich um Neun kam Chappos Band The Shortlist auf die Bühne. Besser gesagt, sie krabbelten fast, sich gut irgendwo festhaltend, einer sogar kurz gestützt. Was hatte ich erwartet? Eine Boyband? Der Leadgitarrist wie aus dem Bilderbuch der Rockerlegenden: lange, grau-gelockte Mähne, aufgedunsenes Gesicht und mit Bauch, der Rhythmusgitarrero moppelig in knallengem T-Shirt, der Bassist spindeldürr und klapprig an die PA gelehnt. Der Drummer ausgezehrt mit wilder, weißer Zottelmähne. Lediglich der Keyboarder in jünger, aber mit total lustloser Miene (das ganze Konzert über). Kurz stellte ich mir die passenden Groupies vor … und schloss die Augen mit Grauen.

Und dann legten die los! Aber hallo! Augen zu: eine agile junge Truppe fetzt und rockt da los, als hätten sie diese Musik gerade erst erfunden! Augen auf: Chappo kraxelt auf die Bühne, hält sich nicht lange mit Geschwätz auf und ab geht die Luzie! Der Mann ist 69! Ich glaube es nicht! Nach drei Minuten ist er schweißgebadet, was ihn nicht abhält, seine gequetschte Rockröhre die Tonleiter rauf und runter zu jagen, zu jaulen und röhren wie ein ganzes liebestolles Tierorchester. Kein Unterschied zu der Stimme von vor 4o Jahren. Wie macht er das? Gut, man sieht ihm das Alter an und mit jeder Minute scheint er weniger zu werden. Aber nur optisch. Akustisch ist er präsent und dominiert Band und Saal.

Das ist meine Musik. Mein Rücken ist vergessen. Ich wiege mich in den Hüften, hüpfe im Takt, werfe die Arme, schnippe die Finger und headbange wie ein ein junger Rockergott in Wacken. Ab und zu ein Blick zur Liebsten. Es ist nicht ihre Musik. Aber es gefällt ihr sichtlich. Sie wippt mit und schüttelt ihr schönes rotes Köpfchen. Das Publikum geht ab wie Schmitts Katze. Alle sind jetzt höchstens 18 Jahre alt. Der zunehmende Sauerstoffmangel verstärkt die Trance. Alles andere ist jetzt egal. Jetzt ist Chappo and the Shortlist. Die Band spielt mit unglaublicher Freude auf, Chappo wird immer besser. Keine Frage: Es gefällt ihm in der Provinz. Und mein Bart scheint ihm ebenso zu gefallen. Er macht den Leadgitaristen auf mich aufmerksam, zwinkert mir immer wieder zu, zwirbelt sogar vor dem Song Prisoner einen imaginären Bart und grinst mich an. Vor der Zugabe verlasse ich meinen Platz und kämpfe mich zur Liebsten durch. Wenigstens die letzten Stücke will ich dicht bei ihr geniessen. Chappo bemerkt mein Fehlen sofort und fragt nach dem „guy with the beard“. Fast habe ich das Gefühl, er macht erst weiter, als er mich schließlich an der Seite bemerkt 😉

Jetzt noch eine Zugabe. Eine einzige nur. Schade. Aber irgendwie verständlich. Nach eineinhalb Stunden voller Power sind die Jungs alle. Ich eigentlich auch. „Shadow on the Wall“ mit integriertem „Shortlist“ und ganz zum Schluss noch die alte Stones-Nummer „Lets spend the Night together“. Genau, das wärs jetzt! Die ganze Nacht mit Chappo zusammen. Aber ich hab ja meine Liebste…

Angeblich war das die letzte Tour. Farewell Chappo? Nix da: Rock’n Roll never dies! Mensch, Chappo, wir beide brauchen das doch! Also dann, bis zum nächsten Mal …

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Prinzenmahl

Der Einzige, dem es hier gerade so richtig gut geht, ist unser spanisches Prinzchen. Das beste Frauchen der Welt verwöhnt den Kleinen nach Strich und Faden. Auf dass er seinem Namen nicht gerecht und noch weniger wird. Poco genießt es. Zuerst werden die kross gebratenen Hähnchenmägen herausgezutzelt. Dann der Reis, Körnchen für Körnchen geschlabbert. Übrig bleiben die Karotten, die er sonst ganz gerne frisst. Aber wenn man ja auch so viele andere Leckerchen kriegt, können die Möhren warten, bis sie schwarz werden. Und das Grünzeug auch. Das ist ja auch eher für die Katz.

Poco I., der Herrscher der Hütte

Wie ein Pascha thront er auf seinem Sessel! Seinem Sessel? Offenbar weit gefehlt. Wenn wir zuhause sind, liegt er zufrieden auf dem immer gleichen Sessel. Lassen wir ihn mal alleine und kommen wieder heim, finden wir die Plüschtiere, die auf einem anderen Sessel liegen, auf dem Boden liegend vor. Was geht da in unserer Abwesenheit vor? Dank modernster Technik wissen wir nun Bescheid: Die Webcam meines Klapprechners, auf dem Schrank positioniert, brachte es ans Licht. Ich ließ Poco alleine und wählte mich gleich darauf per Skype mit meinem iPhone auf dem Klapprechner ein. Und staunte nicht schlecht: Kaum war ich weg, sprang das Hundevieh zu den Plüschtieren, beförderte sie mit einem kurzen Ruck auf den Boden und legte sich sich statt ihnen auf diesen Sessel. Motto: „Der King bin ich und das ist MEIN Thron! Ihr seid das Fußvolk, genauso wie Frauchen und Herrchen. Aber die lass ich es nicht wissen!”. Kaum war ich zurück, lag er wieder auf seinem „Zweitsessel“. Ich gebe mich geschlagen. Ich werde seine Regentschaft anerkennen. Aber wenn er es zu weit treibt, gibt es eine Revolution!

Seine Majestät Poco I., Gemälde vom Hofmaler

Vampire

Januarsonne! Eine Hassliebe! Mittags steht sie so tief, dass sie unverschämt mit voller Wucht in unsere Höhle dringt. Gnadenlos sticht sie in unser Hirnkastel und verursacht an dem, was da noch drin ist Schmerzen. Wie Vampire verdunkeln wir die Ruhestätte und verkriechen uns in unsere Särge. Dabei hätten wir die Sonne dringend nötig. Unsere Seelen gieren danach, nach all den düsteren Winterstürmen. Ich zähle deshalb die Tage, an denen die Sonne wieder aufwärts steigt und endlich wieder in einem verträglicheren Winkel auf unsere Häupter scheint. Bis dahin verstecken wir uns. Gut bevorratet mit Aspirin. Eingekuschelt ins Bettchen. Decke drüber. Auch schön. Vor allem mit einer solchen Froschkönigin…