Landaufenthalt

Heute haben wir Biggi begraben. Sie hatte sich immer einen schönen Sommer gewünscht. Heute war er da. Brütend heiß zwar, aber auf dem Friedhof in Buch unter den Bäumen erträglich. Ihre engsten Freunde haben Biggi verabschiedet wie sie es sich gewünscht hat: Keine Trauerkleidung und mit viel Musik. Sie hatte mich gebeten, die Trauerrede zu halten. Sie zu schreiben viel mir leicht, sie zu halten sehr schwer. Ich hätte auch ein Buch schreiben können. So viel Schönes haben wir mit ihr in den fast acht Jahren, die wir uns kannten, erlebt. Da ist es nicht leicht, sich zu beschränken. Und beim Ablesen kommen die Erinnerungen hoch und es wird bewusst, wie sehr sie uns fehlen wird. Trösten wir uns mit dem Gedanken, dass ihr Kampf vorüber ist und sie einen wunderschönen Landaufenthalt genießt.

Landaufenthalt 

Wir sind die Menschen auf den Wiesen
bald sind wir Menschen unter den Wiesen
und werden Wiesen und werden Wald
das wird ein lustiger Landaufenthalt.
Ernst Jandl

 

Musik: The Tiger Lillies – Starlit night –

Liebe Freunde von Biggi,

Wir nehmen heute Abschied von unserer Freundin Biggi, die uns heute vor vier Wochen, in den frühen Morgenstunden des 27. Juni verlassen hat. Sie hatte den Krebs, der sie vor nicht mal einem halben Jahr so plötzlich überfiel und der sie vom Tag der Diagnose bis zuletzt so sehr quälte, tapfer bis zuletzt bekämpft. Sie wollte nicht gehen, bevor sie nicht noch ganz wichtige Entscheidungen in ihrem Leben treffen konnte. Und sie hatte genaue Vorstellungen davon, wie wir sie verabschieden sollen. So wünschte sie sich, dass wir nicht in Schwarz gekleidet kämen.

(ich wende mich zur Urne): Nimms mir nicht übel, Biggi: Du weißt ich laufe gerne und oft in Schwarz rum. Und außerdem ist dieser Anzug anthrazit und das Hemd bunt. Du hast dich immer schick gemacht für mich, da wollte ich heute nicht in Jeans rumlaufen.

Biggi bat mich, die Trauerrede zu halten. Es fällt mir nicht leicht aber es hilft mir zu trauern und sie hat – hoffentlich – Spaß daran. Auch, wenn ich gar nichts über Biggis Jugend und Werdegang sagen kann. Viele von Euch kennen ihre verschiedenen Lebensabschnitte ohnehin besser als ich. Ich möchte statt dessen noch einmal ein Bild von Biggi zeichnen, wie ich sie kennen- und lieben gelernt habe und wie sie sicherlich den Meisten in Erinnerung bleiben wird. Und wir hören Musik, die Biggi mochte und vielleicht das Bild vervollständigt:

Als ich 2004 meine zweite Frau durch Krebs verlor, dachte ich, das Leben sei nun endgültig vorüber. Anfang 2005 hielt ich die Einsamkeit dann nicht mehr aus und suchte im Internet nach  Kontakt. Auf meine Anzeige meldete sich jemand mit dem Decknamen „Dackeldame“ aus Berlin. „Dackeldame“ – das klang nach ältlicher, betulicher Oma in Lodenmantel und toupierten weißen Haaren beim Kaffekränzchen. Ich wagte es trotzdem zu antworten und Biggi zeigte mir in einer einzigen Mail, was eine Berliner Dackeldame in Wirklichkeit ist. Mit so viel Witz und Herz, soviel Verstand und Fröhlichkeit, dass ich sofort anbiss. Weitere Mails gab es dennoch nicht – sie rief nämlich gleich an und stundenlange Telefonate erfreuten in der Folge uns und die Telekom. In Zeiten ohne Flatrate, wohlgemerkt.

Biggi war so aufgedreht, sprühte vor Witz, dass ich öfter glaubte, einen Teenager am Hörer zu haben. Sie war sehr offen und trug, wie man so schön sagt, ihr Herz auf der Zunge. Sie hatte soo viel zu erzählen und wir hatten eine Menge Spaß aneinander. Trotzdem war ich noch nicht bereit für eine neue Beziehung und drückte mich um jede Verabredung, die sie mit Vehemenz immer wieder einforderte. Biggi konnte sehr energisch sein. Und sie wusste, was sie wollte. Und wie sie es bekommen kann.

Hinter meinem Rücken bandelte sie mit meiner Tochter an und heckte einen Plan aus. An meinem Geburtstag rief mich meine Tochter in das benachbarte Haus. Dort sei ein Päckchen abgegeben worden, dass zu groß sei für sie, es mir zu bringen. Und als ich das riesige Paket öffnete, kamen zuerst rote Herz-Luftballons heraus geschwebt und danach entstieg Biggi persönlich. Dieses freche, fröhliche Grinsen werde ich nie vergessen. Sie hatte meine Barrieren mit ihrer offenen, herzlichen Art einfach überrannt. Gegenwehr zwecklos.

Wie es ihr Nickname schon androhte: Biggi war nicht ohne Dackel zu haben. Pauli war ihr Ein- und Alles! Dabei war Pauli durch seine zahlreichen Behinderungen nicht einfach. Hier offenbarte sich ganz deutlich, warum Biggi so ein großes Herz hatte: Es musste viel Platz für all die Viecher auf dieser Welt haben.

Ob Hund oder Katz, Waschbär oder Spinne, jedes Tier hatte in Biggi seinen Beschützer, bereit, sie mit allen Zähnen und Klauen zu verteidigen. Mir war schnell klar: Ich war hier nur Nummer zwei. Oder noch weiter hinten, gleich nach all den Plüschtieren. Selbst im Krankenhaus hat sie sich von einem riesigen Zoo begleiten und beschützen lassen. Pauli bestimmte ihren Tagesablauf und somit auch meinen. Ich habe mich dem ergeben, was mir leicht fiel, angesichts der Freude, die Biggi an Pauli hatte.

Unseren Hund Poco hat sie auch geliebt wie ihren eigenen. Sie erklärte sich umgehend zur Patentante und Poco wurde von seiner Tante mit Liebe und allerlei Spielzeug überhäuft. Gerne hätte Biggi nach Paulis Tod noch einmal einen Hund gehabt, aber, als hätte sie es geahnt, wollte sie ein Tier nicht alleine lassen, wenn sie sich nicht mehr hätte kümmern können. Und so fand sie lieber eine liebe Pflegemutter für die verwilderte Katze, um die sie sich in Oranienburg gekümmert hatte.

Biggi war kein Kind von Traurigkeit. Wenn es was zu feiern gab, war sie dabei. Die Leidenschaft für gutes Essen und Trinken war eine unserer Gemeinsamkeiten. Wir erkundeten so manche exotischen Lokale und Gerichte, es durfte ruhig ordentlich scharf sein, dagegen gabs ja ein Bierchen oder zwei. Und bei einem Fest in Oranienburg trank sie mich unter den Tisch. Wir schickten uns gegenseitig neue kulinarische Entdeckungen und tauschten Geheimtipp-Adressen aus. So gerne wäre sie mit uns noch einmal zum türkischen Fisch-Restaurant Balikci Ergun in Tiergarten gegangen, den wir ihr mal empfohlen hatten und der ihren Besuch daraufhin bis heute sicher nicht vergessen hat.

Musik: Elton John ­– Candle in the Wind –

Biggi war leidenschaftlicher Fan von Elton John. Ich durfte sie einmal erleben, als sie in Hamburg in der ersten Reihe mit einem riesigen Blumenstrauss ihrem Elton huldigte und ganz aus dem Häuschen war. Sie wünschte sich für heute ein Lied von Elton. Der Klassiker „Candle in the Wind, ursprünglich Marylyn Monroe gewidmet, zu Lady Di passte er aber auch gut und er passt ganz bestimmt zu Biggi, die die Fröhlichkeit von Marylin und die Herzlichkeit von Diana in sich vereinte. Ihr Musikgeschmack hatte eine große Bandbreite und neuen Tönen war sie immer aufgeschlossen. So begeisterte sie sich unter vielen Anderen für den Ruhrpottrocker Stoppok oder die eigenartigen Tiger Lillies, deren „Starlit Night“ wir ganz am Anfang hörten. Lady GaGa hatte Biggi in einem Konzert erlebt und war genauso begeistert wie die meist viel jüngeren Fans um sie herum. Von Lady GaGa hat sich Biggi die Liveversion „Hair“ aus der LP „Tribute to Jamie“ gewünscht.

Musik: Lady GaGa  – Hair –

Ein bisschen gaga war auch ihr Spaß an verrückten Spielzeugen. Heute hängt in unserem Wohnzimmer eine Kuckucksuhr von ihr, bei der zur vollen Stunde ein Schaf heraus blökt. Von so etwas konnte sie nicht genug bekommen. Überhaupt begeisterte sie Technik. Andere hätten Spaß in Sexshops, sie genieße den Gang durch Baumärkte, sagte sie einmal. Sie hatte keine Berührungsängste mit der neuen Internetwelt, surfte fröhlich drauf los und fand dort Dinge schneller als so mancher Profi. Zuletzt war sie in facebook aktiv und, da das kostenlos ist (und wenn es niemand löscht), wird ihre Seite wohl auf ewig von ihr erzählen, besser als jeder stumme, steinerne Grabstein.

Biggi zeigte mir ihr Berlin und die Ossis. Mangels Verwandtschaft in der DDR hatte ich keinen rechten Bezug dazu gehabt und vieles kam mir nun fast exotisch vor. Biggi hatte mir nicht nur den Kopf verdreht, sie hat ihn mir altem Wessi auch öfter mal gewaschen und mein Bild vom Osten gerade gerückt. Trotzdem blieb ich für sie manchmal der doofe Wessi und sie für mich die doofe Ossi. Mit ganz heftigem Augenzwinkern. Auch als unsere Beziehung über eine liebevolle Affäre nicht hinaus ging. Im Gegenteil, nun hatte ich eine große Schwester im Osten, in der Hauptstadt, mit der ich alles besprechen konnte. Sie war mein Hauptstadtzwerg, ein Titel, den sie sich selber verliehen hatte. Sie wollte sich immer kleiner machen als sie war.

Als ich mich neu verliebte und diese Beziehung ernsthaft wurde, zeigte sich Biggis verletzliche Seite. Sie hatte furchtbare Angst, Eifersüchteleien könnten unsere Freundschaft beenden. Dabei, und das betonte sie immer wieder, gäbe sie doch nun wirklich keinen Anlass für Eifersucht. Biggi war einfach eine Seele von Mensch. Ohne falsche Gedanken. Und der Gedanke, andere könnten ihr Schlechtes zutrauen, hat sie regelrecht krank gemacht. Gottseidank freundete sie sich mit meiner Liebsten an und wir haben zusammen viele schöne Stunden verbracht.

Biggi war einfach unglaublich lieb. Und sie wollte geliebt werden. Die Suche nach Liebe trieb sie an. Dabei verteilte sie ihre Liebe mit vollem Herzen. Auch da war Gegenwehr zwecklos und manchmal konnte sie es auch übertreiben. Als wir uns einen Hund zulegten, schenkte sie uns nicht nur ein Körbchen, sondern gleich zwei (samt einer gefühlten Tonne Leckerlis und Spielzeug) und dieser Geschenkestrom sollte nicht abreißen. Oder als ich sie bat, mir aus Chrimmitschau einen Ring dieser köstlichen Blutwurst zu schicken, kamen gleich fünf Ringe an (plus etlicher anderer Leckereien).

Was immer man von Biggi wollte, sie gab reichlich und mit wahrem Feuereifer. Als ich sie einmal darauf ansprach, dass es auch anstrengend sein könne oder gar nerve, von Liebe überhäuft zu werden, war sie sehr verletzt. Es bedurfte langer Gespräche, ihr klarzumachen, dass meine Kritik nicht böse gemeint war. Ich wollte sie vor Enttäuschungen schützen, denn manchmal wurde ihre Liebe gar nicht erwidert und sie fühlte sich ausgenutzt. Ich musste ihr versprechen, nie wieder über zuviele Liebesgaben von ihr zu meckern.

Wer viel gibt, sollte auch viel bekommen. Erfolg bei der Suche nach der großen Liebe war ihr leider nicht mehr vergönnt. Viele Enttäuschungen hatten sie vorsichtig und verletzlich gemacht. Zu oft war Biggi betrogen worden. Dabei ging sie unbefangen und offen auf andere Menschen zu. Ich werde nie die Szene vergessen, als wir uns spontan entschlossen, zu einem Konzert zu fahren. Es war ausverkauft und so standen wir in einer Reihe von vielleicht fünfzig Leuten, die auf eine zurückgegebene Karte hofften. Nach 5 Minuten kannte Biggi jeden Wartenden beim Vornamen, von einigen den Kosenamen und die Beziehungen der Leute untereinander. Einer wurde von seiner Liebsten Hase genannt. Er war vor uns in der Reihe dran und als er zur Kasse gehen durfte, rief Biggi ihm hinterher: „Und für uns beede ooch noch zwee Karten, mein Hase!“.

Biggi konnte mit jedem, zu jeder Zeit und zu jedem Anlass: Samstag morgens war in ihrer Datsche in Oranienburg die Wasserpumpe ausgefallen und sie verzweifelte zunächst, denn ein schwüles Wochenende ohne Wasser wäre fatal gewesen. Ich kam mir nutzlos vor weil ich mit meinen zwei linken Händen keine Hilfe war. Biggi griff zum Telefon und ich durfte ein Schauspiel erleben, wie es die größten Komiker mit ihren Telefonspäßen nicht besser hinbekommen hätten. Natürlich war keiner der angerufenen Handwerker begeistert, am Sonnabend da raus zu kommen. Biggi ließ aber nicht locker. Mit ihrem umwerfenden Charme und ihrer direkten Art schaffte sie es dann doch, einen Meister weich zu quatschen und zu uns zu zitieren. Der hatte binnen weniger Minuten einen Spitznamen, wurde natürlich geduzt und hatte mit Biggi mindestens ebenso viel Spaß wie mit der fürstlichen Bezahlung.

Und natürlich war sie es, die uns beiden bei der Quizshow von Jörg Pilawa anmeldete. Ich hätte mich nie getraut. Souverän hat sie bei den Castings die Leute unterhalten und bei der Aufzeichnung der Sendung derart mit Jörg Pilawa geschäkert, dass diese Szenen später rausgeschnitten und leider nicht gesendet wurden.

Musik: Stoppok – Tanz –

Vor ein paar Wochen, zu Pfingsten, klagte sie, sie sei so einsam in ihrem Krankenbett, sie hätte uns so gerne bei sich. Als es ihr zunehmend schlechter ging, wurde ihr Wunsch, uns noch einmal zu sehen, immer dringender. Und so machten wir uns auf, mit bangem Herzen, was uns wohl erwarten würde. Aber wir hatten Glück. Es empfing uns eine fidele Biggi, die in ihrem Bett lag wie eine Kaiserin auf dem Tron inmitten ihrer Lieblingstiere und versorgt mit allen technischen Annehmlichkeiten und modernsten Kommunikationsmitteln. Sie war guten Mutes, ohne den Ernst der Situation zu leugnen. Wir lachten genauso viel wie wir weinten an diesem Nachmittag. Fröhlich erzählte sie von ihrer letzten, folgereichen Entscheidung, die sie noch ein bisschen weiter am Leben erhalten würde. Sie orderte entschlossen ein paar Leckereien und wollte am folgenden Tag noch einmal Party mit uns machen, mit einem guten Schuss Amarula auf Eis. Als wir sie an diesem Sonntag verließen, hatte sie UNS Mut gemacht und wir verabschiedeten uns leichteren Herzens, in der Hoffnung, dies sei nicht der letzte Besuch gewesen.

Und bald danach kam der Punkt, vor dem ich mich so gefürchtet hatte: Es kam keine launische SMS mehr, sie konnte nicht mal mehr mit mir telefonieren. Das hat uns so sehr gefehlt
und wir beschlossen abends, sie am Wochende erneut zu besuchen. In dieser Nacht ist sie gestorben.

Heute begraben wir eine kleine Frau – ihr großes Herz wird immer in uns weiterleben.

(Währen des Auszugs) Musik: Nick Cave and The Bad Seeds – Death is not the end

 Am Grab:

Biggi, du ruhst nun, wie du es dir gewünscht hast. Unter einer schönen Wiese, unter einem schattigen Baum. Ernst Jandl, der östereichische Dichter und Dadaist hat ein Gedicht geschrieben, das die Hoffnung auf ein unbeschwertes Weiterleben in sich trägt und wunderbar hier her passt:

Sommerlied

wir sind die menschen auf den wiesen 
bald sind wir die menschen unter den wiesen
 
und werden wiesen, und werden wald
 
das wird ein heiterer landaufenthalt.

Ich möchte noch Danke sagen all denen, die sich so rührend um Biggi gekümmert, ihr jeden Wunsch von den Lippen gelesen und so ihren Kampf unterstützt haben. Stellvertretend für alle die, die ich nicht mit Namen kenne, möchte ich ganz besonders Annett und ihrer Familie danken, die sich auch über die zahlreichen Besuche hinaus mit so viel Einsatz für Biggis Wohlergehen sorgten.

Geocaching zu zweieinhalb

Nasskalter Sonntag. Der Hund muss raus. Nicht gerade inspirierend. Gut, dass ich ein neues Hobby (oder zumindest könnte es eines werden) gefunden habe: Geocaching. Schnitzeljagd 2.0 sozusagen. Mit Grips und iPhone nach versteckten „Schätzen“ suchen. Das macht Spaß. Besonders wenn die Liebste sich auch ein bisschen erwärmen kann und wir zu zweieinhalb losziehen. Erst ausführlich Gassi mit dem wilden Spanier (der mittlerweile ganz brav ohne Leine mit uns läuft), dann Schatzsuche mitten in der City von BSS. Außer den Koordinaten hatten wir einen Hinweis: drei mal drei. Die Liebste (und Klügere) konnte ihn umsetzen und machte mich auf eine Baumreihe von drei mal drei jungen Erlen aufmerksam. Der alte Pfadfinder in mir entdeckte dann den gut als Lüftungsschlitz getarnten „Cache“, die Schatzkiste. Was wohl andere Kurstadtbesucher gedacht haben mögen, als sie den alten Knacker ein Plastikdöschen ausbuddeln sahen? Wie er was auf einen darin befindlichen Zettel kritzelte und das Ding dann wieder in dem Lüftungsschlitz verbarg. Drogendealer oder Spion oder gar beides! Anschließend lud mich die liebste Klügste noch in ein Kurcafé ein:

Gut versteckt rechts neben dem Eingang der Spassart-Therme (oder von innen, von der Wandelhalle aus) findet man dieses winzige, schnuckelige Café. Schon der Anblick ist eine Augenweide. Neben leckeren Kuchen, Tee-und Kaffeespezialitäten gibt es tausend kleine Modeaccessoires und nette Mitbringsel zu besichtigen und zu kaufen. Man sitzt innen wunderbar bequem in Ledersesseln und außen auf nicht minder bequemen Korbstühlen an kleinen Tischchen. Der Service ist flott und freundlich, die Preise gar nicht kurstadtneppisch. Unser Highlight heute waren die Karamelwaffeln mit Eis und Roter Grütze. Schon so lecker anzuschauen, dass man sich gar nicht mehr zu probieren wagt, was schade wäre. Denn die knusprige, frische Waffel mit den vielen kleinen Obststückchen drauf, die große Eiskugel und die verführerische Grütze sind ein süßer Traum. Dazu hatte ich eine Pepperoni-Chili-Chocolade. Herrlich schokoladig mit knackiger Schärfe im Abgang. Nach dem kalten Aprilspaziergang genau das Richtige.
(Mein Beitrag zu Tee und Kaffee Bistro – Ich bin kritzlibaer – auf Qype)


Irmgard 1920-2012

Viel ist passiert seit dem letzten Eintrag. Wunderschönes (unser erster richtiger, gemeinsamer Urlaub) und Schlimmes (mein Herzinfarkt). Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle verdichtete sich zum Jahresende und ließ keine Zeit für Nebensächlichkeiten. Ich hatte geglaubt, der Urlaub hätte mich total entspannt. Völlig harmonisch hatten wir zwei Verliebten die Tage genossen. Dazu ein lange erhoffter Immobilien-Verkauf, der ebenso zur Entspannung zu trug. Aber der Mensch tracht und Gott lacht (wie ein jüdisches Sprichwort sagt). Es hat mich umgehauen. Von Hundert auf fast Null in ein paar Minuten.

Meiner Mutter hatten wir es nicht erzählt. Angelogen hab ich sie ein bisschen: Ich läge im Krankenhaus wegen meines lädierten Knies (was ja auch z.T. zutraf). Sie war in den letzten Jahren immer dementer geworden und manche Neuigkeiten haben sie verwirrt und verängstigt. Da fanden wir es besser, ihr den Infarkt zu verschweigen. Der Reha-Aufenthalt verhinderte ein gemeinsames Weihnachtsfest, auf dass sie sich so gefreut hatte. Nun freute sie sich auf ihren 92. Geburtstag. Und bekam kurz vorher ebenso einen Infarkt. Ich habe sie noch im Krankenhaus besucht, Sie war geschwächt, das Herz nicht mehr kraftvoll genug. Und doch saß sie in ihrem Bett und war guter Dinge. Zwar begrüßte sie uns mit einem bestimmten „Mit mir geht’s zuende!“. Aber das beunruhigte sie nicht. Im Gegenteil, sie schien bereit. Sie erzählte von früher und betonte immer wieder, was für ein glückliches Leben sie hatte. Sie war fröhlich und verabschiedete uns mit einem Lachen. Vier Tage darauf ist sie ganz friedlich eingeschlafen.

Trauerfeier am 3. Februar 2012

Sie hatte sich ihr Leben aussuchen können, hatte den richtigen Mann gefunden und sich ihm, wie das damals üblich war, untergeordnet. War für ihre Familie da, versorgte uns liebevoll, kochte genial, war gesellig und fröhlich, neugierig und weltoffen, tolerant und offen. Sie war eine moderne Oma und manchmal Mutterersatz für meine halbwaisen Kids. Bis ins hohe Alter konnte man sich über alles mit ihr unterhalten. Und sie war eine Dame, modisch und geschmackvoll gekleidet. Eine Mutter, wie man sie sich nur wünschen kann. Nun müssen wir ohne sie auskommen. Sie fehlt uns und doch sind wir froh, dass sie so leicht von dieser Erde gehen konnte. Ich wünschte, wir könnten einmal so glücklich gehen.

Happy birthday, Greatest!

13 war ich, bin um 4 Uhr aufgestanden, hab mich aus dem Haus geschlichen und bin mit dem Fahrrad zur nahen Rennbahn in Frankfurt-Niederrad gefahren. Muhammad Ali sollte dort trainieren für seinen Weltmeisterschaftskampf gegen Karl Mildenberger am 10.9.1966. Es war lausig kalt und niemand zu sehen. Enttäuscht wollte ich schon wieder fahren, als ich am Horizont drei oder vier Menschen sah, die dort auf der Pferderennbahn entlang rannten. Schnell kamen sie näher, Dampfwölkchen vor den Gesichtern. Alle hatten Kapuzen-Sweater an und ich konnte nicht erkennen, wer Ali war.

Ich hatte einen Freund dabei und wir waren die einzigen Zuschauer. Ali sah uns und kam auf uns zu getrabt. Seine Begleiter blieben, wo sie waren. Heute undenkbar! Ich hatte alle meine Englischkenntnisse zusammengesucht für einen Spruch. Ali sprach mich an. Ich verstand kein Wort und verfluchte mich, dass ich in der Schule nicht besser gewesen war. Ich kramte einen Zettel raus und einen Kuli, reichte ihn schüchtern dem Größten und brachte immerhin ein „P-p-p-please!“ raus. Ali lachte, rief irgend etwas seinen Begleitern zu. Die lachten auch und wir kamen uns unglaublich blöd vor.

Zum Abschied tätschelte Ali meinen Kopf, rief noch was wie „… boy!“ oder „bye!“ und entschwand mit seinen Jungs im Morgennebel. Wir zitterten, ob vor Kälte oder Ergriffenheit, ich weiß es nicht mehr. Stumm fuhren wir Heim. Wir konnten es selber nicht glauben: Wir hatten den Größten getroffen! Den Zettel mit seiner Unterschrift habe ich immer noch.

 

Wir haben sechs Richtige!

Tolles Gefühl: Die offizielle Ziehung hat heute, am Samstag, noch nicht einmal begonnen und du weißt schon, was für ein Riesenglück du gehabt hast! Heute vor sechs Jahren hat’s geschnackelt. Und seit sechs Jahren wohnt das Glück bei uns. Jedenfalls in der Liebe. Und das ist schließlich das einzige Glück, dass man sich nicht durch Lose erkaufen kann. Aber genau wie ein Lottogewinn ist es leicht flüchtig und will gut angelegt sein. In den sechs Jahren haben wir es gehegt und gepflegt, ge- und begossen und vor allen Dingen genossen. Nun kann das verflixte siebte kommen! Ich freu mich drauf!

Free

Heute war Free zu Besuch. Die etwas laufbehinderte Hundedame sucht ein neues Zuhause und wir eine passende Partnerin für Poco. Also war Hausbesuch angesagt, um erst mal die Chemie abzuklären. Um es kurz zu machen: Free kam, sah und siegte. Jedenfalls über Poco. Wie selbstverständlich nahm sie in seinem Körbchen Platz und zeigte allen, dass sie hier jetzt das Sagen hat. Poco wehrte sich verzweifelt mit den liebevollen Waffen eines Hundemannes. Vergeblich. Wo und wie er es auch immer anstellte, sie ignorierte ihn selbstbewusst und irgendwann war es ihr genug und sie ließ es ihn knurrend wissen. Der arme Kerl. Zu seinem Glück hat es bei uns einfach nicht „Zooom“ gemacht. Free ist ne ganz liebe, verschmuste Hundedame. Aber auch durch ihre lange Straßenerfahrung sehr eigenwillig. Und die Treppen wollten wir ihr auch nicht zumuten. So war es ein kurzer, etwas irritierender Nachmittag für uns alle. Die Suche geht weiter …

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Morning Glory

Wenn die Liebste ganz früh aufsteht und Mann und Hund rausschmeisst, können diese Beiden was Schönes erleben. Dann ist die Sonne nämlich noch ganz jung am Himmel, keine Sau sonst unterwegs, es ist ganz still (die Vögel haben ihr Morgenkonzert schon beendet und sind auf Futtersuche oder Nachwuchsförderung oder beides). Die Luft ist klar und frisch. Was sich irgendwie auch sofort auf den verschlafenen Geist des Herrchens auswirkt. Laufe ich sonst mit verklebten Augen durch die Botanik und versuche, einen wachen Gedanken zu formulieren, sehe ich plötzlich die Natur mit ganz anderen Augen. Was es da alles gibt! Erstaunlich, wie viele Gräser da wachsen, was für eine Blütenvielfalt im Sonnenlicht protzt! Da möchte man sich einfach hineinsetzen und Teil des Arrangements werden. Nicht zurück an die Fron müssen. Nicht den ganzen Tag auf einen kalten Monitor glotzen müssen. Einfach sitzen bleiben. Bis es abends spät und die Liebste und der Magen ungeduldig wird. Ach, wär das schön!

Ich bin so wild nach deinem Erdbeer-Ohr!

„Zwei Erdbeer’n im Haar und an der Hüfte Bananen
Trägt Karin seit heut zu einem Kokosnußkleid
Ja sicher noch dieses Jahr, das kann man heute schon ahnen
Trägt die modische Welt, das was Karin gefällt“

Die neueste Version von France Galls Schlager aus den 6oern zeigt, wo’s lang geht: Schluss mit langweiligem Ohrgehänge! Jetzt gibt’s jeden Tag einen Ohr-gasmus! Oder auch zwei. Guckt ihr hier: www.ohr-gasmus.de


Gruselig kitschig

Nicht nur im Frühtau zu Berge macht ein Gassigang Spaß. Auch der herbstliche Abend ist zurzeit in den hiesigen Auen eine kitschige Augenweide. Dazu wird es täglich fast spürbar früher dunkel. Da überrascht uns schon mal ein grandioser Sonnenuntergang. Die vergehende Sonne lässt die Berge förmlich explodieren. Wenn das Herrchen sich dabei auch noch den Augensammler vom Sebastian Fitzek als Hörbuch rein zieht, dann kommt echter Grusel auf. Nullkommanix ist es stockdunkel. Ein riesiges, grünes Glühwürmchen kommt auf uns zu. Dann sind es drei und im nächsten Augenblick nur noch zwei. Meine verbliebenen Nackenhaare stellen sich auf und auch Poco wird steif, als er die Irrlichter erblickt. Ich sehe einen Schemen gegen die Lichter des Dörfchens vor uns. Kurz bevor Hund und Herrchen einnässen erkenne ich, dass es ein anderes Herrchen ist mit illuminiertem Köter. Immerhin: Der Mann ist erschrockener als ich. Denn er sah mich gar nicht kommen. Unsere kleinen Lieblinge beschnuppern sich kurz und dann verschluckt uns wieder die Dunkelheit. Jetzt aber schnell heim zur geliebten Fröschkönigin und kuscheln. Morgen kauf ich auch so ein Halsband mit LEDs. Besser noch zwei. Eins für mich.